Tristan
Verbeugung vor Tristan, wollte aber nach seinem Lob in einer Nebenbemerkung erneut wissen, wie denn die Grafschaft »im Süden« heiße, in der die Jäger mit glänzendem Brokat bekleidet werden, damit die Elstern in den Wäldern sogleich ihre Entdeckung von Gold und Silber über die Wipfel der Bäume schreien konnten. »Eine merkwürdige Tarnung für einen Jäger«, bemerkte Eardweard zum Schluss seiner Rede, die er mit einem bitteren Unterton vorbrachte.
Tristan erkannte, worauf er hinauswollte, und auch, dass ihn der Neid dazu angetrieben hatte. Einem Spruch Courvenals folgend, nach dem »kleine Geister am besten im eigenen Licht verbrennen«, wandte sich Tristan an Eardweard mit den Worten: »Nicht jeder in die Mitte gezielte Pfeil trifft auch das Herz. Der Hirsch ist verblutet wegen vieler Pfeile, deiner hat ihn nicht einmal verletzt. Oder, mein Freund, du wärst der erste Jäger gewesen, der mit seinem Geschoss ein Herz in der Schulter getroffen hat.«
Tristan hatte die Worte mit verhaltener Stimme an Eardweard gerichtet und sich danach rasch wieder den anderen zugewandt. Er glaubte, damit diesen Streit beendet zu haben. Doch selbst wenn der Neid durch Genugtuung befriedigt sein sollte, sitzt er als Qual in der Seele dessen, der Unfähigkeit für Glücklosigkeit hält, so tief, dass die einmal aufgerissene Wunde niemals ausblutet.
Eardweard, durch Tristans plötzliches Erscheinen fast zu einem Jagdgehilfen degradiert, ging nach diesem Fest bei König Marke mit bösen Gedanken zu seiner Hütte nahe des zweiten Mauerwalls der Burg Tintajol zurück. Helen, seine Frau, der er fünf Kinder gemacht hatte, wollte nichts über den Fremden hören. Sie war wütend darüber, dass er nicht einmal mit einem Rebhuhn nach Hause kam.
»Das war nicht möglich«, versuchte er, sich zu verteidigen. »Der Fremde …«
»Ach was: der Fremde!«, schrie ihn Helen an und vergaß in dem engen Raum den Schlaf der Kinder. »Jeder weiß, dass er Tristan heißt und von heute an König Markes erster Jäger ist. - Lebuin ist alt. Doch du? Was bist du? Lässt dir deinen gerechten Anteil nehmen?«
»Erhat…«
»Was hat er? - Ich weiß schon alles. Alle wissen es. Er ist aus den Bäumen gefallen, hat den Hirsch zerlegt, das hiftü schön geblasen, dem König, der keine Frau haben kann, mit seiner Gestalt den Kopf verdreht und ist jetzt erster Jäger. Das hat er getan.«
»Aber wir…«
»Ihr seid gar nichts. Jetzt nicht mehr. Früher kamst du nach Hause mit Hase und Huhn am Gürtel, >vorbeigebracht< an der Beute des Königs, der sowieso schon mehr als genug hat.«
»Ich werde …«
»Gar nichts wirst du. Leg dich hin, schlaf dich aus und lass mich in Ruh!«
Helen war auch am folgenden Tag voller Groll über ihren Mann. Während er noch schlief und die Kinder schon Säcke knüpften, entschloss sie sich, zu späterer Stunde diesen Tristan aufzusuchen, um zu sehen, was er für ein Mann war und ob sie durch Bitten oder Betteln bei ihm etwas erreichen könnte. Die Jäger sahen es nicht gern, dass ihre Frauen sie in ihrem Quartier bei den Tieren aufsuchten, weil die Hunde bei jeder fremden Person, die sich näherte, mit jaulendem Gebell anschlugen und man sich die Ohren zuhalten musste. Danach gelang es Helen mithilfe von Hench, dem sie ein Tüchlein zusteckte, das er bei den Mägden gut gebrauchen konnte, in die Nähe von Tristans Lager zu gelangen. Sie fand es leer, fluchte leise und wollte das niedrige Gebäude gerade verlassen, als in der offenen Tür eine Gestalt erschien. Da sie sich in der dunklen Hütte befand, draußen aber schon helles Taglicht war, sah sie nur die Umrisse der Gestalt. Auf die Schultern fiel lockiges Haar, der Oberkörper war nackt und wohlgeformt, um die Lenden trug er nur ein Tuch. Die aufrechte Haltung und die leicht ausgestellten Beine verrieten die Konturen eines Kämpfers.
Helen erschrak und holte tief Luft. Sie war unfähig, auch nur ein einziges Wort hervorzubringen. Ebenso wenig wusste sie, was sie tun sollte, und spürte zugleich, wie beeindruckt, ja sogar angezogen sie von dieser Gestalt war. Etwas verbot ihr, sich ihr zu nähern, eine andere Kraft zog sie zu ihr hin. In ihrer Angst fühlte sie eine unbezähmbare Lust, diesen Mann zu berühren. Es war der Fremde, es war Tristan - dessen war sie sich sicher, je länger sie sich gegenüberstanden. Helens Augen gewöhnten sich an das helle Licht jenseits der Tür, und sie nahm nun seine Gesichtszüge wahr. Als wäre ihr dieser Anblick verboten, floh
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