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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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tragen. Niemand durfte von dieser Täuschung wissen, sonst wäre ein einziger Stoß gegen seine Hüfte sein Ende. Ihm selbst hingegen sollte also nicht die Wucht eines Lanzenstoßes, sondern seine Bewegungsfreiheit zum Sieg verhelfen. So zumindest hatte er es sich ausgedacht.
    Riwalin atmete heftig. Er hatte Angst. Ungeduldig drückte er seinem Pferd die Schenkel in die Flanken, als ihn einer der Knappen ermahnte, ruhig zu bleiben. »Mein Herr, Eure Rüstung!«
    »Was ist mit meiner Rüstung?«
    »Sir - die Riemen müssen nachgezogen werden.«
    »Das hat Zeit.« Riwalin machte mit seinem Pferd eine Kehre. Mit »Sir« angesprochen zu werden, das tat ihm gut. In Parmenien gab es diese Anrede nicht. Am liebsten wäre er gleich losgeritten, obwohl noch niemand ein Signal dazu gegeben hatte. Warum will dieser Knappe meine Rüstung festzurren?, dachte er. Ahnt er etwas, ist er bestochen, will er mich ausspionieren, kann er mir schaden?
    Riwalin war nervös. Seine eigenen Fragen beunruhigten ihn. Dann besann er sich. »Wie ist dein Name?«, fragte er den Knappen. »Kilian, Sir, man nennt mich Kilian.«
    »Wer ist dein Herr?«
    »König Marke, mein Herr.«
    »Du bist ein Knappe von König Marke?«
    »Wir alle dienen unserem König.«
    »Ist er denn zugegen?«
    »Aber natürlich, mein Herr. Er sitzt auf der Tribüne.«
    »Wo?« Riwalin wendete das Pferd. Durch die Sehschlitze seines Helms nahm er nur Ausschnitte wahr. »Der mit dem roten Barett.«
    In diesem Moment ertönte das Signal. Kilian ergriff das Halfter des Pferdes und führte es zum Startplatz. Riwalin versuchte, die Lanze in die richtige Ausgangsstellung zu bringen, und noch immer störte ihn ihre Schwere, die eigenwillig die Spitze aus dem Gleichgewicht brachte. Im selben Moment hörte er von der hinteren Flanke des Pferdes her die Stimme von Bodan: »Mein König, die Fackeln sind angebracht, aber es gab nur noch eine Ziege. Sie wird gerade geschlachtet.«
    »Ihr seid also auch ein König?«, sagte Kilian, und Riwalin spürte den Spott in der Stimme des Knappen.
    Da ertönte das Signal zum zweiten Mal.
    »Ein König und zugleich ein Untertan von König Marke!«, rief Riwalin, senkte die Lanze und gab seinem Pferd die Sporen.
     
    Die List ~33~ Eine Ziege
     
    Riwalin hasste Ziegenfleisch. Es roch beißend, schmeckte oft wie feuchte Wolle und war manchmal so zäh, dass man es nach langem Kauen wieder ausspucken musste. Er hasste es auch, wenn sich jemand, wie dieser Knappe Kilian, über ihn lustig machte. Parmenien war ein kleines Herzogtum an der nordwestlichen Küste des Festlands gegenüber Britannien mit einem Grenzabschnitt bei Ladonc zum Königreich der Franken. Im Südwesten hatten die Iren einen Teil der Küste besetzt, der unter der Verwaltung von Morgan dem Hünen stand. Dauernd gab es Streitereien, oft musste sich Riwalin mit seinen Mannen zur Wehr setzen gegen Feinde und Forderungen, und jetzt war er sogar außer Landes und auf der Insel, von der so viel gesprochen wurde. Er hatte mit seinem Kielboot das Meer befahren, war gelandet und hatte Tintajol gefunden. Er war kein König, wie Marke ein König war, doch er war Riwalin von Parmenien, und diesen Namen konnte ihm niemand nehmen, kein Knappe und kein Ritter und vor allem kein Reiter mit dem lächerlichen Namen Findennisch.
    All diese Gedanken durchzuckten ihn wie das Wetterleuchten eines fernen Gewitters, als er das Meckern einer Ziege zu hören glaubte, während vom Turnierleiter sein Name ausgerufen wurde. Als Stolz und Ärger in ihm aufeinandertrafen, preschte er wütend und entschlossen los, den blau-weißen Zaun entlang, erfasste durch sein Visier endlich das auf der Gegenseite heranstürmende Pferd und den mit einem gelben Mantel bekleideten Reiter. Riwalin senkte die Lanze so, dass er über deren Spitze den Helm des Gegners im Blick hatte, und riss sie, kurz bevor sie auf gleicher Höhe waren, schnell zur Seite, bückte sich zum Hals des Pferdes und wich der Lanze Findennischs aus. Sie rauschte über seinen Kopf hinweg, während er mit vermindertem Galopp zur gegenüberliegenden Stallung ritt, wo er von den dort wartenden Knappen angehalten wurde.
    Leise redete er auf sein Pferd ein, brachte es zur Ruhe und nahm, nun auf der anderen Seite des Zauns, Aufstellung, um auf das neue Signal zu warten. Kaum war es ertönt, preschte er los, wich mit der gleichen List der gegnerischen Lanze aus und kam auf der gegenüberliegenden Seite an. Dort war es nun Bodan, der sein Pferd arretierte und im

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