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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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Halbkreis führte.
    »Warum eine Ziege und kein Lamm?«, fragte ihn Riwalin außer Atem.
    »Es scheint, die anderen Ritter haben schon alles leer gegessen. Das Turnier geht seit drei Tagen. - Aber es ist eine junge Ziege, ein Zicklein. Es wird köstlich schmecken. - Mein Herr, das Signal! Noch dreimal dürft Ihr verfehlen, dann sind wir draußen.«
    »So weit wird es nicht kommen!«, rief Riwalin und stürmte auf seinem Pferd voran. Dieses Mal lehnte er sich schon früher, weit bevor er auf den Gegner traf, dem Hals des Pferdes entgegen, berührte mit seinem Helm fast dessen Mähne, und erst kurz vor dem Zusammentreffen mit Findennisch richtete er sich plötzlich auf. Der Däne hatte mit seiner Lanze auf den Unterleib des Parmeniers gezielt, doch bevor die Spitze dort auftreffen konnte, hatte Riwalin seinen Arm ausgestreckt und Findennisch um diese Länge am Hals touchiert. Dadurch geriet dessen eigene Lanze außer Kontrolle, fuhr in die Höhe und an Riwalins Körper wie ein vom Wind abgetriebener Speer vorbei. Der Däne konnte sich kaum im Sattel halten, sein Pferd geriet an den Zaun, schabte sich die Vorderflanke auf und lief, den Kopf hochwerfend, zu seinem Startfeld.
    Riwalin kam unversehrt in gedrosseltem Galopp bei den Stallungen an, achtete nicht auf das Raunen und die Zurufe, die von der Tribüne kamen, wendete, ritt in Stellung, gewährte dem Pferd, auf seinem Platz mit den Hufen aufzustampfen, ließ ihm die Wildheit, die in ihm geweckt war, und spornte es mit Schlägen in die Flanken an, sobald das Signal ertönte. Daher war Riwalin schon über die Mitte des Parcours hinaus, als er das vierte Mal auf den Dänen traf. Und jetzt war seine Lanze so eindeutig und genau auf den Punkt zwischen Hals und Brust konzentriert, dass sich in die Lanze von Findennisch die Furcht ihres Trägers übertrug und er mit ihr wie mit einem Stock blind in der Luft herumrührte. Riwalin traf sicher sein Ziel, der Däne stürzte vom Pferd, und Riwalin ließ das Pferd ausgaloppieren, bis Bodan es beruhigte. Auf der Tribüne brach Jubel aus. Noch halb benommen vom Glücksgefühl über den Sieg, sprang Riwalin vom Pferd und verbeugte sich. Aber er beugte sich nur so weit nach vorn, wie es eine starre Rüstung zugelassen hätte.
    »Zurück zum Zelt!«, befahl er Bodan und hörte im Davonreiten noch die aus römischer Zeit stammenden Vivat-Rufe von der Tribüne her.
     
    Fremde Gewürze ~34~ Morgenröte
     
    Bevor sie ihren Lagerplatz erreichten, war dort schon die Nachricht von Riwalins Sieg eingetroffen. Findennisch war anscheinend so schwer verwundet, dass er den Stoß der Lanze nicht überlebt hatte. Doch das schien niemanden zu bekümmern. Diese Gefahr lag im Wesen des Wettkampfes, und bereits beim ersten Mal, als er von der Lanze des Parmeniers touchiert worden war, hätte der Däne sich dazu entschließen müssen, den Kampf aufzugeben.
    Auch Riwalin machte sich keine Gedanken darüber, dass er den dänischen Reiter tödlich verwundet haben könnte. Er kannte gerade einmal dessen Namen, hatte nie sein Gesicht gesehen, und schließlich war es nur darum gegangen, den Gegner vom Rücken seines Pferdes zu werfen. Dabei hatte er keine einzige Turnierregel verletzt.
    Bodan half ihm im Zelt aus seiner Rüstung, schüttete ein paar Kübel eiskalten Wassers über den nackten, verschwitzten Körper seines Herrn und sagte dabei, dass er schnell wieder nach draußen müsse, um sich um das Essen zu kümmern. Als Riwalin wenig später in seiner schlichten Robe, den dunkelgrünen Beinkleidern, halbhohen Schnürstiefeln aus Rindsleder und dem dunkelbraunen Wams aus gekämmter Schafwolle, vor das Zelt trat, sah er Bodan an der Feuerstelle hocken und neben ihm eine junge Frau.
    »Das ist Hon«, stellte Bodan sie vor, »sie hat mir beim Braten des Zickleins geholfen. Sie ist eine aus dem Dorf da unten, ihr Vater hat das Tier für uns geschlachtet.«
    Noch bevor Riwalin Hon, die einen Knicks vor ihm machte, näher betrachten konnte, stieg ihm ein merkwürdiger Geruch in die Nase. Zugleich sah er über dem Feuer einen Topf.
    »Wo ist die Ziege?«, fragte er verwundert und vermisste den Eisenstab, an dem das Tier sonst aufgespießt wurde.
    »Im Topf«, sagte Bodan.
    »Was soll das werden?« Riwalin klang verärgert.
    »So macht man das hier auf der Insel.« Bodan nahm Hon den Holzlöffel aus der Hand und fischte damit ein Stück Fleisch aus dem Kessel. »Man macht es mit Zimmet.«
    »Womit?«
    »Zimmet, einem Gewürz aus dem Orient. Duftet es nicht

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