Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
Vom Netzwerk:
nach der ersten Runde würdevoll, aber untouchiert vom Pferd zu fallen und danach seinen Spaß am geselligen Leben zu haben. Er war eine Art Turnierpilger, den weniger der Kampf zwischen den Recken interessierte als das Drumherum.
    »Und wenn die Turniere zu Ende sind, mein Herr«, berichtete er Riwalin zu fortgeschrittener Zeit, »dann ziehe ich zur nächsten Burg und erzähle den Leuten das Neueste aus der Welt der Ritter, der Könige und ihrer schönen Frauen.«
    »Und was wirst du von diesem Turnier in König Markes Tintajol erzählen?«, wollte Riwalin wissen und schenkte selbst seinem neben ihm sitzenden Gast den Becher voll.
    »Herr, das Turnier ist noch nicht zu Ende.«
    »Ich weiß, ich weiß, aber was würdest du berichten, was bis jetzt geschehen ist, wer da war, wer zugeschaut hat, was weißt du über den König - und was ist mit den schönen Frauen?«
     
    Der Bericht ~36~ Die Todesreiter
     
    »Herr, es gibt Ritter und solche, die es erst noch werden wollen«, begann Lafranc mit seiner tiefen, heiseren Stimme, »und außerdem gibt es«, fuhr er fort, »gute und schlechte Menschen.«
    Er nahm einen Schluck aus seinem Becher, und der Wein tropfte an seinem Bart hinab auf sein blaues verschlissenes Wams.
    »Für mich ist«, sagte er, »ein wahrhaftiger Ritter ein Herr, der Recht und Unrecht zu unterscheiden weiß.« Er schaute sich um und sah die Ritter an, die hinter ihm standen, und nickte mit dem Kopf. »Von diesen hier«, sprach er weiter und zeigte auf die anderen, »rede ich nicht. Die Herren kenne ich. Helan zum Beispiel, das ist der mit dem grün gestreiften Barett, hat gestern gegen Vencurio verloren.« Er drehte sich zur anderen Seite. »Vencurio, wo bist du?« Ein Mann in einem weinroten Mantel trat hervor.
    »Das war ein tadelloser Kampf. - Aber«, setzte Lafranc seine Rede fort, »Vencurio verlor gegen Bertram. - Bertram, bist du da?« Es entstand eine Pause. Alle blickten sich um.
    »Bertram ist noch auf der Tribüne bei der Schwester des Königs. Sie ist wohl eine weit entfernte Cousine von ihm!«, hörte man jemanden rufen.
    »Da habt Ihr’s, Freund!«, wandte sich Lafranc wieder an Riwalin. »So halten wir es unter rechtschaffenen Rittern, die ein Turnier austragen. Jeder kennt den anderen, keiner kennt sich selbst, jeder will ein Anderer sein, deshalb kämpft er, um zu erfahren, wie ein Anderer so sein kann, wie man selbst werden möchte. Das nennen wir Tugend, das ist der Sinn eines jeden Turniers.«
    Lafranc hatte diese letzten Sätze wie in einem Gesang vorgetragen, und als er endete, begannen die Umstehenden, ihm applausus zu geben. Auch Riwalin klatschte vor Begeisterung in die Hände.
    »Doch nun«, hob Lafranc in die zustimmenden Rufe hinein mit rauer Stimme an, »gibt es unter uns viele Reiter, die haben eine aufgeputzte Rüstung und tragen darunter Kleidung aus löchrigem Flachs, die nach Schweiß und Pisse stinkt.
    Ihre Zähne, so sie noch welche im Maul haben, sind braun vom Wein, ihre Zungen milchig vom talgigen Fett alten Bockfleisches. Aber unter ihrer Rüstung und ihrem Helm siehst du von alledem nichts. Und wenn sie an dir vorbeigaloppieren, riechst du auch nicht den Gestank, der ihrem verfilzten Kopfhaar entströmt. Herr, solche Reiter, die sich Ritter nennen, gibt es so viele, dass sie niemand zählen kann. Sie sind auf jedem Turnier, auch auf diesem von König Marke. Sie nennen sich Elduin und Wannagout, Kalkan und - Findennisch, den du ja kennengelernt hast. Ein starker Kerl ist er gewesen, ein gerissener Hund mit keiner anderen Absicht, als seinen Gegner in den Tod zu schicken.«
    Er trank einen Schluck und fuhr fort: »Denn das verstehen solche Ritter als ihr Recht: Sie schlagen zu, wenn man ihnen den Rücken zukehrt, spicken ihre Lanze mit Stacheln und Eisensplittern und fügen dir Wunden zu, die keiner, der da auf der Tribüne sitzt, von fern erkennen kann. Du aber blutest am Arm, am Hals und an der Schulter, spuckst den roten Saft aus dem Mund in deinen Helm, und süßlicher Modergeruch, der aus deinem Körper kommt, vernebelt deinen Geist. Du hast Schmerzen, die du dir nicht eingestehen willst, und wirst in deiner Wut blind, stürmst los, verpasst den Stoß, weil deine tränenden Augen wie die eines Ertrinkenden sehen, dass im Wasser schon deine Seele verschwimmt. Da prasselt dann Elduins oder Wannagouts gepanzerte Lanze gegen deinen Schädel, schlägt dir den Kopf auf den Rücken, bricht dir das Genick, und dein Pferd wirft dich ab wie einen Sack voll

Weitere Kostenlose Bücher