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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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Aufritt zur Burg
     
    Tillem, sein zweiter Knappe, der nicht viel sprach, aber alles befolgte, was man ihm auftrug, half ihm, die Rüstung anzulegen. Es musste schnell gehen, der Herold wartete auf seinem unruhigen Pferd, um Riwalin zu führen. Als er über den Balken das Pferd bestieg, merkte er, dass Willem die Riemen an den Seiten des Brustschilds nicht festgezurrt hatte. Doch nun war es zu spät.
    Riwalin ergriff eine der Turnierlanzen, die in einem Gatter aufgereiht waren, wog sie in der Hand und legte sie prüfend in seinen Arm und an die Schulter. Die Lanze war schwerer als jene, die er bei sich zu Hause gewohnt war. Um sich an ihr Gewicht zu gewöhnen, senkte er sie mehrmals ab, hob sie bis in eine senkrechte Stellung an und hielt sie sogar mit seitlich ausgestrecktem Arm vom Körper weg. Ein paar Leute am Wegrand und vor den Zelten, an denen er vorbeiritt, beobachteten diese Übungen des fremden Reiters und fingen an zu lachen. Riwalin achtete nicht darauf. Die Lanze wieder in ruhender Stellung an der Schulter, holte er den Herold ein und fragte ihn, welchen Namen sein Gegner führe.
    Der Mann, der mehr als dreimal so alt wie Riwalin sein mochte und einen zotteligen Bart hatte, sagte, als würde er die einzelnen Wörter im Munde kauen: »Sein Name ist Findennisch.«
    »Und woher kommt er?«
    »Übers Meer ist er gekommen wie Ihr.«
    »Ist das heute sein erster Kampf?«
    »Heute ja - gestern schon zwei. Findennisch zielt auf den Kopf. Am besten, Ihr tragt Euren jetzt schon unterm Arm.« Der Alte begann zu lachen und wiederholte im Lachen nochmals die letzten Wörter: »Jetzt schon unterm Arm!«
    Riwalin blieb verärgert mit seinem Pferd ein Stück zurück. Sie näherten sich der Burg, in deren Hof das Turnier stattfand. Die Mauern Tintajols waren um ein Vieles mächtiger als die von Conoêl, und vom Tor an führte ein mit Steinen ausgelegter Weg unter einem Gewölbe hindurch und über zwei Holzbrücken, sodass die Hufe der Pferde einen Widerhall von schlagenden Tönen erzeugten, wie sie Riwalin nie zuvor gehört hatte. Dann, plötzlich, öffnete sich der Weg und führte auf einen mit Haferstroh bedeckten halbrunden Hof, in dem alle Geräusche verschluckt wurden. Rechts und links von sich sah Riwalin Mauern mit Fensternischen aufragen. Der Herold hielt sein Pferd an, wendete es, grüßte kurz und ritt an Riwalin vorbei den Weg zurück.
    Riwalin hatte sein Pferd ebenfalls zum Stehen gebracht und blickte sich halb nach seinem Führer um, der ihn in der Burg allein ließ, als ein Tross von Reitern auf ihn zustürmte, voran ein Ritter im Galopp. Der rechte Arm hing ihm wie ein Knüppel von der Schulter, und alles war blutgetränkt bis hinab auf die Stiefel. Zwei Knappen rannten neben dem Pferd und versuchten, seine Wildheit zu bändigen. In einigem Abstand folgte ihnen ein anderer Reiter, der direkt auf Riwalin zuhielt.
    »Wer seid Ihr?«, fragte er höflich.
    »Riwalin aus Parmenien.«
    »Dann folgt mir.«
     
    Die Täuschung ~32~ Ziegenfleisch
     
    Riwalin staunte. Innerlich jubelte er. Mehr hatte er nie sehen wollen als diesen prachtvollen Turnierplatz. Ein Viereck, geschmückt mit Fahnen und Wimpeln, eine Tribüne und dort auf den Bänken so viele Zuschauer wie in ganz Conoêl Parmenier lebten. Ein ebener Platz, zwei sich gegenüberliegende Ställe für Reiter und Pferde, ein ganzer Haufen von Knappen, die als Gehilfen bereitstanden, und in der Mitte des Turnierfeldes nicht etwa ein gespanntes Seil oder einfach nur ein paar Pfähle zur Begrenzung, sondern ein fester, blau-weiß gestrichener Zaun in Schulterhöhe der Pferde.
    So und nicht anders, dachte Riwalin, sieht ein königlicher Turnierplatz aus! Er hatte schon viel von einer solchen Einrichtung gehört, nie aber ein Beispiel davon gesehen. Die List, die er sich ausgedacht hatte, bestand darin, so dicht wie möglich in vollem Galopp an dem Zaun entlangzureiten, um im richtigen Moment, kurz das Pferd verhaltend, damit das Auge den Abstand zum Gegner besser einschätzen lernte, die Lanze bei den ersten Durchgängen nur zur Seite zu reißen, dann auszugallopieren und sich auf den nächsten Anritt vorzubereiten. Im Wegreißen der Lanze musste er selbst mit dem Körper dem gegnerischen Stoß ausweichen. Damit er sich wie beim Ringen auf dem Boden schnell nach vorn beugen konnte, hatte er den Lendenteil der Rüstung entfernen und durch ein mit Bleifarbe gefärbtes Stück Jute ersetzen lassen. So sah es aus, als würde er eine herkömmliche steife Rüstung

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