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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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Angriff. Er zerschlug mit seinen Leuten die feindliche Schar, rieb sie auf, mehr als die Hälfte von ihnen wurde getötet, der Anführer fiel, und die Beute der Räuber konnte sichergestellt werden. Doch die Verluste in den eigenen Reihen waren verheerend. Sechs seiner Reiter hatte Tristan verloren. So kehrte er zwar mit den schwer beladenen Pferden siegreich nach Conoêl zurück und war selbst unverletzt geblieben. Bei sich aber hatte er nur noch den Jungen und die Reiter Bernard und Jacques. Trotz des großen Gewinns an Gütern und Tieren war doch das Klagen über die verlorenen Tapferen auf der Burg übergroß.
    Rual suchte deswegen das Gespräch mit Courvenal.
    »Tristan bereitet mir Sorge«, sagte er, und der Mönch nickte. »Er ist kein Kriegsheld«, fuhr Rual fort, »er glaubt, der Mut, der ihn beflügelt, beherrsche auch alle anderen. Seine Geschicklichkeit besteht im Kampf Mann gegen Mann, nicht in der kriegerischen Auseinandersetzung mit vielen. Er greift den an, den er vor sich hat, nicht den ganzen Tross. Irgendwann wird ihn ein feindlicher Speer in den Rücken treffen, während er den gegnerischen Anführer im Zweikampf tötet. Das dürfen wir nicht zulassen. Wir müssen unseren König und Fürsten schützen - vor sich selbst.«
    »Du meinst, wir brauchen einen Hauptmann für unsere Reiter.« Courvenal war ruhig geblieben und versuchte, den Gedanken des Marschalls zu folgen.
    »Einen, der ihm die Planung des Angriffs abnimmt, der den Feind einschätzt, bevor er ihn angreift, der Vor- und Nachteile gegeneinander abwägt.«
    »Dafür wärst du der rechte Mann.«
    »Ich bin zu alt, Courvenal, das weißt du!« Rual sah den Mönch, der wieder seine Kutte trug, mit einem bedauernden Blick an. »Du hast zwei Söhne, die dir ähnlich sind.« Rual erschrak. »Die können das nicht!«, stieß er hervor. »Traust du es ihnen nicht zu?«
    »Sie sind … sie haben …« Der Marschall wich aus und wurde verlegen. »Du hast Angst, sie zu verlieren. Ist es das?«
    Rual schwieg. Courvenal hatte durchschaut, was ihn bewegte. Denn seit allen bekannt war, dass er Tristan als Ziehsohn angenommen hatte, war in ihm etwas Merkwürdiges vorgegangen. Jemand, auf den er sehr stolz gewesen war, den er in die Welt geschickt und um den er sich wie um kaum einen anderen Menschen gesorgt hatte, war ihm abhandengekommen, indem er ihn wiedergefunden hatte. Die eigenen Söhne hingegen hatte er immer mit anderen Augen gesehen, sie waren sein eigen Fleisch und Blut, und er liebte sie aufrichtig. Doch sie bedeuteten für ihn nicht dasselbe wie Tristan, in dem er sich erhöht gefunden hatte, den er weder mit sich vergleichen noch beneiden oder gar verachten konnte. Tristans Grenzen kannte er nicht, die seiner leiblichen Söhne sehr wohl. Tristan war für ihn wie ein Ideal, Ludvik und Edwin waren seine Söhne: Er kümmerte sich um sie, wenn er Zeit dazu fand.
    So zumindest war es während der vielen Jahre gewesen, als Tristan mit Courvenal auf Reisen war. Die Söhne hatten ihre Ausbildung an der Waffe erhalten, Rual selbst hatte ihnen beigebracht, was es hieß, ein Land zu führen, Recht zu sprechen, Streitigkeiten zu schlichten und zu Kämpfen auszureiten, bei denen man abwägen musste, ob es sich lohnte, sie zu gewinnen oder aber die eigenen Verluste begrenzt zu halten. Er wusste auch, dass seine Söhne wohlbehalten und behütet aufwuchsen, sie hatten jeden Tag zu essen und eine Schlafstätte. Früh schon besaßen sie Pferde, konnten gut reiten, aber die Tiere, die doch zu ihnen gehörten, gingen sie anscheinend nichts an. »Gebrauch ohne Sorge macht nachlässig«, sagte Rual.
    »Daraus entsteht die Illusion, das Vergnügen sei ein hohes Gut.«
    »In Wahrheit ist es ein Herz ohne Blut.«
    »Eine leere Wahrheit also.«
    »Gibt es das?«
    »Vielleicht.«
    »Selbst ein leerer Becher ist voll der Luft, die wir atmen!«
    »Wenn man keinen Wein nachfüllt, dann ja!«
    Courvenal musste lachen, und Rual stimmte ein. Beide liebten solche Gespräche. Sie wussten, dass sie dadurch an den Voraussetzungen nichts ändern konnten. Ludvig und Edwin würden so bleiben, wie sie waren. Mit Tristan waren sie nicht zu vergleichen.
    Rual goss Courvenal und sich noch einmal Wein nach und entschied dann, seine Söhne zu Hauptmännern zu erklären. Diesen Entschluss teilte er Floräte aber erst am nächsten Morgen mit.
    Sie war erbost. »Du willst Tristan nur schonen. Von nun an braucht er nicht mehr auszureiten, wenn es irgendwo Streitigkeiten gibt. Das tun dann

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