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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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feiner sein musste als im Mörser zerriebenes Mehl. Wie Staub war diese Zeit. Der Sand sollte aus einem arabischen Land stammen, das »Wüste« genannt wurde. Kaum war dieser Sand im Glas verronnen, gab es bei dem im brodelnden Wasser auf und ab hüpfenden Ei das Resultat, dass das Gelbe flüssig und das Weiße unter der Schale fest war. Dem Essen und Genießen ging ein Spiel voraus. Daran freuten sich alle.
    Tristan entsann sich dabei der Jahre, als er mit Courvenal in Italien und in Iberia unterwegs gewesen war. Erinnerungen wurden wach, die in ihm verschüttet lagen. Er sah bei geschlossenen Augen auf seinem Bett liegend die Märkte vor sich, über die er geschlendert war, oft an der Seite seines Lehrers, manchmal allein. Gerüche stiegen dabei in seine Nase von einer Frische, wie es sie in Parmenien nicht gab.
    Wichtiger waren die Menschen, die er während dieser Zeit kennengelernt hatte. Ihr Wesen war ihm damals oft fremd erschienen, ihr Charakter unberechenbar. Männer trugen Tücher um den Kopf gewickelt, Frauen verschleierten ihr Gesicht. Der Wind war voll des feinen Sands, der nun durch die Engstelle dieser sabliero floss, die jeden Morgen wie eine Reliquie auf den Tisch gestellt wurde.
    Tristan spürte noch die Hitze der Sonne auf seinem Gesicht. In den Süden zurück wollte er nicht, aber er wünschte sich nichts sehnlicher, als wieder aufs Meer hinauszufahren. Er wollte weg von den Eltern, die für ihn keine wirklichen Eltern mehr sein konnten, aber so taten, wie wenn sie es immer noch wären. Ruals Leben war eingeschnürt in Pflichten. Fast jeden Morgen legte er sein Kettenhemd an und zog darüber sein ledernes Wams, als würde er in eine Schlacht reiten müssen.
    Indem er Morgan getötet hatte, fühlte sich Tristan von all dem befreit. Einmal begleitete er Ludvik, den er gern mochte, zum Hafen hinunter. Um nicht aufzufallen, hatte er sich als Händler verkleidet, trug einen spitzen Kragen und ein Hemd mit weiten Ärmeln. Statt Dolch und Schwert hatte er ein Kartenspiel dabei und einen Satz schwarzer Würfel mit weißen Augen. Das beeindruckte die Leute in dem niedrigen Raum der Herberge, in die er einkehrte. Sie überzeugten sich erst davon, dass mit diesen Würfeln alles stimmte. Ein paar Probespiele gestand ihnen Tristan zu. Danach ging es um den Einsatz. Ludvik staunte, wie er seinen Bruder so spielen sah. Wurf um Wurf gelang ihm. Tristan lachte bei jedem Gewinn und schob die Münzen seinem Bruder zu, als ginge es ihm gar nicht darum. Bis die Mitspieler andere Würfel verlangten. Der Wirt brachte sie. Tristan gewann erneut. »Ihr müsst sie mehr von oben werfen!«, empfahl er den Leuten am Tisch. Gleichwohl hatte er immer die meisten Augenpaare und strich wieder die Münzen ein.
    Ein Kaufmann aus Verona stieg aus dem Spiel aus, ein Ritter aus Barcelona sprang für ihn ein. Sogleich versuchte Tristan, ihn nach der Stadt auszufragen und ihn so lange wie möglich am Tisch und im Gespräch zu halten, indem er die Würfel möglichst zu seinen Ungunsten warf. Doch jedes Mal lagen sie auf den für ihn glücklichen Seiten. Er ärgerte sich darüber. Die anderen hielten auch das für ein Spiel, der Ritter aus Barcelona gab seinen Platz bald auf und verschwand aus dem Zimmer. Ludvik beglückwünschte Tristan, zeigte ihm, wie prall der Beutel schon gefüllt war, und wollte, dass sie ebenfalls aufbrachen.
    Da stürmte jemand in den Raum und wollte Sir Tristan sprechen. Tristan gab sich zu erkennen.
    »Mein Name ist Golsh«, sagte der Mann. »König Marke schickt mich.«
    Morolt, der Bruder der irländischen Königin, war nach Cornwall gekommen, um seinen Tribut einzufordern, mehr als dreißig Knaben, wie es ihm nach den besiegelten Abmachungen zwischen den Fürstenhäusern zustand. Wie Sklaven würde er sie nach Irland bringen und sie dort zu Soldaten abrichten, damit sie später einmal ihr eigenes Heimatland überfielen. Marke konnte sich gegen diese Abmachung, von der Tristan wusste, nicht wehren. Er folgte meist den Anweisungen, so schwer es ihm auch fiel, denn sonst würde Morolt mit seinen Mannen an die Küste zurückkehren und alles rauben und niederbrennen, was ihm im Weg stand. Doch dieses Mal, so berichtete Golsh, hatte Marke bei den Baronen nicht mehr als zwanzig ihrer Söhne und Neffen abordern können, alles Kinder noch. Zwanzig genügten Morolt nicht. Mit Flüchen und Drohungen sei er in seinem Zelt vor der Burg auf und ab gegangen. Cornwall stand ein erneuter Überfall der Iren bevor, wenn die

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