Tristan

Forderungen nicht erfüllt würden. Oder, soll Morolt geschrien haben, schickt mir einen, der mich im Kampf besiegt und mir so mein Recht nimmt.
    »Wie hat er das gesagt?«, wollte Tristan wissen.
    Golsh verstand nicht.
    »Mit welchen Worten?«
    Golsh war verwirrt. An Worte konnte er sich nicht erinnern, nur an die Forderung. Dann fiel es ihm wieder ein. »Nur der Tod steht über dem Recht«, sagte er zögernd, »das hat er behauptet.«
    »Und Marke? - Was hat der König darauf erwidert?«
    »Was soll er schon gesagt haben?« Der Britannier blickte verstört vor sich hin und trank seinen Becher leer. »Es gibt keinen, der Morolt töten kann. Er hat Kräfte wie ein Bär. Die Götter des Nordens sind in ihm, heißt es. Er hat Verbindung zum grünen Licht des Himmels. Keiner der Barone würde es jemals wagen, gegen ihn anzutreten, lieber geben sie ihm ihre Kinder.« König Marke sei verzweifelt, sagte Golsh. Immer wieder habe er nach Sir Tristan gefragt, wo der sei. Da habe er, Golsh, sich mit einer kleinen Truppe aufgemacht nach Parmenien. Es gäbe keinen Auftrag dafür, er habe sich strafbar gemacht.
    Tristan stierte vor sich hin. »Denk nicht einmal daran«, flüsterte ihm Ludvik zu, »du hast da drüben nichts verloren. Wir brauchen dich hier. Wir haben selbst genug Sorgen, lass Marke mit seinen allein fertig werden. Cornwall ist reich und wird es selbst zuwege bringen.«
    »Marke hat uns geholfen. Ohne seine Leute hätten wir Morgan nicht besiegen können.« Tristan musste nicht überlegen, was er tun sollte. Er befahl, ihm seine Rüstungen, die muselmanischen Krummschwerter und seine besten Pferde von der Burg zu holen, und schickte Ludvik selbst mit dem Auftrag dorthin. Außerdem sollte Courvenal von allem erfahren und sich entscheiden, ob er ihn begleiten wolle. Bevor sein Bruder losritt, griff er ihm noch einmal ins Halfter des Pferdes und bat ihn, aus Riwalins Truhe die goldene Kugel zu holen und auch die Harfe mitzubringen, jene mit den fünf Saiten. Dann gab er dem Pferd einen Klaps auf den Schenkel, und Ludvik preschte los, Conoêl entgegen.
    Tristan sah ihm nach. Zwei Möwen begleiteten seinen Bruder, wohl in der Hoffnung, dass er etwas Essbares für sie fallen lassen würde. Doch ihre Gier hielt nicht lange an. Sie stiegen in den Himmel auf und flatterten nach einigen Kreisen in der freien Luft in Richtung des Meeres zurück. Tristan blieb noch eine Weile stehen und ahnte, dass er seine Eltern, dass er Floräte und Rual nie wiedersehen würde. Bevor er zum Hafen zurückging, schloss er die Augen und sah hinter seinen Lidern ihre Gesichter. Sie schauten ihn bei diesem Abschied nicht an.
    Einen Tag später stand er zusammen mit Courvenal an Bord des Schiffes, das sich auf dem Kurs zu Cornwalls Küste befand.

Dreizehntes Buch
     
    DIE WUNDE
     
    Kapitel 204-217
     
    Neue Sklaven ~204~ Golshs Rückkehr
     
    »Sag deinen Namen«, wurde der Junge von Marke aufgefordert, der als Erster in den beiden Reihen stand, die sich im Königssaal vor dem Thron gebildet hatten.
    »Patrick«, klang eine helle Stimme zurück. »Aus welcher Sippe?«
    »Der Cliffords.« Die Stimme des Jungen überschlug sich beinahe bei der Nennung des Namens.
    »Du also bist der kleine Clifford?« Traurig klang diese Frage. Marke saß zurückgesunken auf seinem Stuhl, die Schultern bedeckte ein Mantelkragen aus Bären- und Hasenfellen. Es war kalt geworden in den letzten Tagen. Doch selbst im wärmsten Sonnenschein hätte Marke seinen Pelz getragen. Seit Morolt aus Irland aufgetaucht war, lief Marke ständig ein Schauer seiner Ohnmacht wie Frostfieber über den Rücken. Er musste diesen Mann, der am Ende des langen Tisches saß, nicht einmal ansehen, nur an ihn denken.
    »Hast du das?«, fragte er gereizt mit einer Kopfbewegung, als würde er sich nach hinten umsehen wollen. »Hast du das: Patrick von Clifford?«
    Der Chronist bejahte die Frage, Marke gab dem Jungen mit einem Wink zu verstehen, dass er zur Seite gehen und der nächste in der Reihe vortreten könne. Keiner dieser Knaben war älter als fünfzehn. Jedes Mal wenn ihre Namen fielen und vom Chronisten in die Liste eingetragen wurden, begann ein Jammern und Weinen unter den Eltern, die im hinteren Teil des Königssaals versammelt waren und von Wachleuten, die Schulter an Schulter eine Mauer bildeten, davon abgehalten wurden, nach vorn zum Thron hinzustürzen, um ihr Kind wieder zu sich zurückzuholen. Marke hätte sich am liebsten die Ohren zugehalten, aber er war der König und