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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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was Tristan verstand. Als würde er ihn schon vor sich stehen sehen, war Tristan auf einmal hellwach. Sosehr er die Gegenwart Helens schätze, plötzlich spielte sie keine Rolle mehr. Er ließ sich die zurechtgelegten Kleider bringen, zog sich an, Hench schloss die Schnallen des Kettenhemds auf seinem Rücken und an den Schultern, legte ihm die Rüstung an, ermahnte ihn, stillzuhalten. Er stürmte nach draußen, ging die Flure entlang, folgte den Knappen, die ihn vorauseilend begleiteten, grüßte Golsh und sah ihn dabei nicht einmal an.
    Auf dem Burghof traf er Marke und Courvenal und all die anderen. Welche anderen? Er sah in Gesichter, die ihm bekannt vorkamen. Man wünschte ihm Glück, versuchte, ihn zu berühren, um ihm auf diese Weise gute Wünsche mitzugeben, während er sich von einem Podest aus auf das bereitgehaltene Pferd schwang. Die Rüstung beengte ihn, Kettenhemd und Panzer lagen so fest am Leib, als hätte ein Schmied Blei über ihn geworfen.
    Der Ritt zum Ufer, an dem sein Boot lag, kam ihm endlos lang vor. Ebenso die Verabschiedung von all denen, die ihn begleiteten. Die Stimmen hallten dumpf unter seinem Helm nach, als das Pferd auf das Boot geführt wurde. Noch hielt er die Visierklappe geöffnet, aber entweder war er benommen von den guten Ratschlägen und Hoffnungen, die man auf ihn setzte und ihm zurief, oder das Licht über dem Wasser blendete ihn - was um ihn herum geschah, wirkte auf ihn wie ein Spiel, dem er zusah.
    Der Wellengang war unruhig, selbst in der schmalen Passage zwischen Küste und der flachen, vorgelagerten Insel Shank. Auf dem Boot befanden sich außer ihm sechs Ruderer und Golsh, der das Pferd am Zügelriemen hielt. »Morolt wartet schon auf Euch«, hörte Tristan ihn sagen. »Er ist allein.« Morolt, dachte Tristan, noch ein Name für »Tod«. Ein Hüne wie Morgan. »Was für ein Pferd reitet er?«, fragte er Golsh, obwohl er die Antwort schon wusste: »Ein eruisches.« Gedrungen, kräftig, schwer, dachte Tristan, ein Pferd, das nicht springt. Er schaute auf die schäumende See und hatte Angst, dass es zum letzten Mal sein könnte, dass er sie sah. »Seine Leute sind zurück an Land«, unterbrach Golsh seine Gedanken. »Wir haben aufgepasst, dass die Iren sich nicht irgendwo versteckt halten. Wenn wir das Boot verankert und Euch abgesetzt haben, fahren wir in dem kleinen Beiboot zurück an Land, so wie es ausgemacht ist. - Gleich legen wir an.«
    Tristan sah, wie sich der Felsenstreifen der Inselküste näherte. Dort lag das Boot Morolts fest vertäut. Alle Planen, Fässer und Kisten waren von Deck entfernt worden, nirgends war ein Soldat zu sehen. Tristans Boot hielt auf die kleine Bucht zu. Ohne sich nach Golsh umzuwenden, sagte er: »Zieht das Beiboot ein und rudert dieses hier zurück an Land, ich brauche es nicht.«
    »Aber Herr, wie wollt Ihr dann …?«
    Tristan hob den Arm. Er wollte nichts mehr hören. Morolt war am Ufer erschienen. Er saß auf einem Ross, wie man es Tristan beschrieben hatte, klein und stark. In den Händen hielt der Ire Schild und Lanze, an der Seite steckten zwei Schwerter. Das Visier seines Helms war heruntergeklappt.
    Da stieß Tristans Boot gegen den flachen Fels, die Ruderer legten Planken vom Bug zum Ufer, Golsh gab Tristan sein Schild und seine Lanze, und dabei befahl er dem Knappen nochmals, mit seinen Leuten auf dem Boot zu bleiben und damit zurückzukehren ans feste Ufer. Er hörte noch Golshs Bestätigung seines Befehls, dann ritt er im Schritt an Land. Arrow reagierte gehorsam auf jeden Schenkeldruck. Tristan kam neben Morolt zu stehen, der beobachtete, wie das britannische Boot wieder ablegte und mit der gesamten Besatzung in Richtung der Küste ruderte.
    »Warum kehren sie mit deinem Boot an Land zurück?«, fragte er auf Eruisch.
    »Weil wir zur Rückkehr nur ein einziges Boot brauchen«, erwiderte Tristan.
    »Warum nur eins?«
    »Weil einer von uns als Toter hierbleiben wird.«
    Morolt lachte kurz auf. Sein Pferd reagierte unruhig.
    Tristan klappte sein Visier herunter. »Wir können Aufstellung nehmen«, sagte er. »Wo ist Euer Anritt?«
    »Du forderst mich heraus«, sagte Morolt barsch. »Dann darfst du auch wählen.«
    »Den nördlichen Punkt.«
    »So sei es.«
     
    Der Kampf ~209~ Die Entscheidung
     
    Auf den Felsen der Westküste Cornwalls hatten sich in der Zwischenzeit viele . Britannier versammelt. Die Isle of Shank war von hier aus gut zu überblicken. Sie war eine flache, lang gestreckte Felsebene, die nach Norden mit

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