Tristan
Diese Frage, nahm er sich vor, wollte er so bald wie möglich seinem neuen Herrn stellen und entscheiden, wie er sich selbst einrichten oder ob er nach Conoêl zurückkehren würde.
Da kam ihnen, bald nachdem sie von der Küste gen Tintajol mit Sack und Pack aufgebrochen waren, der Knappe Golsh entgegen und suchte als Erstes das Gespräch mit Courvenal.
»Er hat Morolt zum Kampf herausgefordert«, sagte er atemlos, als wäre er neben seinem Pferd hergelaufen.
»Ich kenne Morolt nicht«, erwiderte Courvenal nüchtern.
»Er ist…« - Golsh musste sich zusammennehmen - »… er überragt ihn um zwei Ellen. Seine Waffen sind so schwer, dass sie keiner von uns …«
»Von wem redest du?«
»Von Morolt!«
Allmählich verstand Courvenal, worum es ging. Um einen aussichtslosen Kampf. Dann hörte er von Tristans Wunsch: einen Raum, einen Ort oder einen Platz zu suchen mit nur einem Ausgang. Das glich einem Rätsel. »Gibt es solch einen Raum auf Tintajol?«
Golsh gestand, dass er gar nicht wisse, was Tristan damit hatte sagen wollen. Kämpfe dieser Art fänden stets im Freien statt, Ritter träfen sich im Hof der Burg oder auf offenem Feld, in der Nähe eines Waldes oder direkt an der Küste bei den Klippen.
Courvenal ritt neben ihm und grübelte. »Nur ein Ausgang«, sagte er und fügte hinzu: »Tot oder lebendig. Das meint er.«
Golsh verstand ihn nicht. »Eine Insel und nur ein Boot!«
»Kleine Inseln vor der Küste gibt es genug. Oft bestehen sie nur aus einem Felsen, aber eine, die wir wegen ihrer Form die Isle of Shank nennen, bietet genug Platz für einen Zweikampf.«
»Shank - was heißt das in deiner Sprache?« Courvenal formulierte diese Frage ganz langsam, als würde er zugleich über sie nachdenken und die Antwort auch schon wissen. »Skönka«, sagte er auf Nordisch, klopfte sich auf den rechten Schenkel und verspürte einen leichten Schmerz. »Dort wird er eine Verwundung davontragen.«
Golsh wusste nicht, wovon Courvenal sprach, bestätigte ihm aber, der Name käme daher, dass die Insel die Form eines Schenkels habe.
»Wenn das so ist, reite voraus und gib meinem Herrn Bescheid. Man soll ein Feld abstecken, das genauso groß ist wie diese Insel. Wo dort Felsen sind, soll man auf dem Platz an derselben Stelle Steine oder Äste aufschichten. Auf dem begrenzten Raum soll er das Reiten üben mit der Lanze im Anschlag. Ein Knappe soll den Iren mimen, auch im Zweikampf mit dem Schwert. Der Kampf mit Morolt soll erst am dritten Tag stattfinden, zur letzten Stunde des Tages.«
Golsh merkte sich jedes Wort Courvenals und überbrachte Tristan die Nachricht noch am selben Abend. Dieser schickte gleich einen Boten los, der Morolt die Entscheidung mitteilte, und im Schein von Fackeln und Feuern wurde unter der Mithilfe von Fischern, die sich auf der Isle of Shank genau auskannten, im Rücken der Burg ein Platz gesucht, auf dem nach ihren Anweisungen Barrieren aufgestellt wurden, die ihn gemäß der Ausmaße der Insel begrenzten und die Felsbrocken markierten, die sich auf ihr befanden.
Am nächsten Morgen, kurz nach Sonnenaufgang, begann Tristan, diesen merkwürdig engen Parcours voller Hindernisse mit seinem Pferd abzugehen, ritt kurze Scheinattacken, ließ das Ross oft und nur auf den Hinterfüßen wenden, zügelte es plötzlich in vollem Galopp und trieb es sogar so weit, dass es strauchelte und er beinahe aus dem Sattel fiel. Erst dann versuchte er, sich mit einem Knappen im Zweikampf sowohl zu Pferd als auch auf dem Boden mit dem Schwert zu messen. Mittags legte er eine kurze Ruhepause ein und übte weiter, bis man ihm mitteilte, dass Courvenal und die Packpferde eingetroffen waren. Noch bevor es Nacht wurde, führte Tristan seinem Freund und Lehrer auf dem Feld vor, was er bis dahin eingeübt hatte. Courvenal war zufrieden mit dem, was er sah. Tristan solle noch den ganzen nächsten Tag die Scheinkämpfe fortführen und am Tag des Kampfes ausruhen. Courvenal wollte sich inzwischen darum kümmern, für seinen Herrn die beste Rüstung herauszusuchen und sie von den Knechten so blank putzen zu lassen, dass man sich darin spiegeln konnte.
Marke war bei diesen Gesprächen immer anwesend, hatte die Anweisungen verfolgt und angeordnet, dass alles Erdenkliche zum Wohle seines Neffen und seines Gefolges getan werde. Es sollte an nichts fehlen. Zu essen gab es Huhn und Wild, zu trinken nur vom besten Wein.
Als Tristan an diesem ersten Abend seiner Vorbereitungen in seine Kemenate zurückkehrte, begrüßte ihn
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