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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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ein Gitternetz, eine erste Hose und eine zweite. Beide strömten einen beißenden Geruch aus. Tristan musste während des Kampfes uriniert haben, aber auch gekotet.
    »Legt die Stofffetzen einfach weg, denkt nicht darüber nach, es ist alles menschlich, pure Angst«, sagte der Medicus und Courvenal folgte seiner Anweisung.
    »Jetzt sehen wir«, fuhr der Medicus fort, »was geschehen ist. Sir Tristan hat einen Schwerthieb direkt unterhalb der Flanke bekommen. Der Schenkel ist aufgeschlitzt. Ich werde die Wunde nähen müssen. Er hat Glück gehabt. Ein Stück weiter oben - und das Schwert hätte ihm alles Männliche abgetrennt. So hat es den Hoden nur geritzt. Seht Ihr?«
    Courvenal blickte unwillig und neugierig zugleich auf Tristans Geschlecht. Das erste Mal hatte er den Unterleib seines Fürsten gesehen, als er noch sein Eleve war, in Italien damals, Tristan ein Bad verordnend, um unauffällig nachzusehen, ob er ein Muttermal am Schenkel des rechten Beines trug, hatte aber nichts entdecken können. Unwürdig war ihm damals sein Verhalten vorgekommen, mit Tristan hatte er nie darüber gesprochen. Und nun sah er erneut auf die Scham Tristans, sah die Behaarung, an der Blut und Exkremente klebten, und entdeckte das Muttermal - es war deutlich zu sehen, innen am linken Oberschenkel.
    Courvenal wandte den Blick ab. Zu viel bedeutete für ihn diese Entdeckung. Dem Medicus gab er ein Zeichen, dass alles seine Ordnung habe, und wusste doch selbst, welchen Fehler er gemacht hatte. Hätte er damals schon erkannt, aus welcher Familie Tristan abstammte, hätte er die Reise abgebrochen. Alles wäre anders verlaufen. Tristans Leben, sein eigenes Leben. Nun war er gefangen in einem alten Irrtum, wegen der Scham, nicht genau hingeschaut zu haben. Da er immer vermutet hatte, dass die beiden vermeintlichen Pilger, deren Namen er längst vergessen hatte, von bösen Absichten getrieben waren, hatte seine Zurückhaltung Tristan vielleicht auch das Leben gerettet.
    »Er wird doch nicht sterben?«, fragte er den Medicus und riss sich selbst aus seinen Erinnerungen.
    »An der Stichwunde bestimmt nicht«, sagte der Mann und packte seine Utensilien ein. »Seht, er ist auch schon wieder wach geworden.«
     
    Morolts Schädel ~211~ DasKästchen
     
    So schnell es möglich war, wurde Tristan auf einer Bahre nach Tintajol gebracht. Es war längst Nacht geworden, und die eruischen Soldaten mussten bis zum nächsten Tag warten, um ihren Anführer, seinen Körper und den abgeschlagenen Kopf, von der Insel zu bergen. Sie verstauten beides in einer Kiste und fuhren damit zurück übers Meer nach Irland. Dort trugen sie die Kiste mit den Überresten Morolts hinauf zu Isoldes Königshaus, und von da an hörte das Klagen und Jammern, das aus den herrschaftlichen Räumen drang, nicht mehr auf.
    Königin Isolde war gerade damit beschäftigt gewesen, mit den Fürsten und Königen von Aileach und Conaught im Norden und Westen der Insel über Zollabgaben zu verhandeln für Waren, die an der Südküste verschifft werden sollten. Da stürmte ein Bote herein und sagte außer Atem: »Fürst Morolt ist tot!«
    Isolde schrie auf, konnte die Nachricht nicht für wahr halten, ließ den Boten abführen und ordnete seine Enthauptung an. Noch in derselben Stunde wurde sie durchgeführt, gleich auf dem Platz hinter den Gemächern der Königin.
    Benedictus hörte davon und eilte sofort zum königlichen Palast. Er verschaffte sich Einlass und fand Isolde auf dem Boden liegend vor, schluchzend, blind vor Wut. Er half ihr auf, brachte sie zu einer Liege und legte ein Kissen unter ihren Kopf.
    »Wie konntet Ihr«, sagte er dabei leise und ohne Vorwurf, »den Mann für die Wahrhaftigkeit seiner Botschaft bestrafen!«
    »Der Bote ist genauso schlimm wie der Täter.«
    »Der Bote war das Opfer«, murmelte Benedictus.
    »Was sagst du da?« Isolde setzte sich auf, raffte ihre Kleider zusammen, sah den Mönch, der vor ihr kniete, aus tränenverschmierten Augen an, die sie sich für den Empfang der Fürsten mit roter Kreide ummalt hatte, stellte sich vor ihn hin und befahl schreiend in den Raum hinein: »Bringt mir meinen Bruder - sofort!«
    Dieses »sloghaan« schnitt Benedictus ins Herz. Es war das »Sofort« der Machtmenschen, das er so sehr verabscheute. Er beugte sich deshalb vor seiner Königin noch tiefer zu Boden und rutschte auf den Knien rückwärts, bis er mit den Hacken gegen einen der Tische stieß.
    Isolde achtete nicht mehr auf ihn. Mit den Armen wild um sich

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