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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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einem spitz zulaufenden, nach Süden mit einem breiten Ende aus dem Meer herausragte.
    Für Marke und die Barone war in den drei vergangenen Tagen eilends eine Art Tribüne aufgebaut worden, wie im Hof der Burg Tintajol mit Sitzbänken versehen. Von dort aus konnte man den Kampfplatz besonders gut überblicken. Es gab nur einige Felsbrocken, die die Sicht auf das Kampffeld behinderten. Solange Morolt und Tristan ihre Lanzen aufrecht im Sattelschaft hielten, waren die Fähnchen deutlich zu unterscheiden - das Blau-Gelb der Iren und das Rot-Weiß der Britannier. Sie flatterten heftig im Wind, das Tuch verwirbelte sich bisweilen, aber die Luft war trotz vieler Wolken klar. Es würde an diesem Nachmittag keinen Regen und keinen Nebel mehr geben.
    Neben Marke saß ihm zur Linken Courvenal, der gleich nach der Verladung von Tristans Pferd auf das Boot und nach einer kurzen Verabschiedung von seinem König zur Tribüne geritten war, und zur Rechten Lady Margret Kent, eine entfernte Cousine König Heinrichs. Courvenal ließ eine Kette aus dunklen Perlen durch seine Finger gleiten und betete still, Lady Margret bemerkte mit gedämpfter Stimme, wie aufregend sie das alles fände.
    »Es sieht zwar aus wie bei einem Turnier«, flüsterte sie Marke zu. »Aber während es sonst um ein Spiel geht, wie du es alle zwei Jahre veranstaltest - oder sind es alle vier Jahre? -, geht es jetzt um Leben und Tod. Ich weiß gar nicht, was das bedeutet.«
    »Bist du für das Leben oder für den Tod, Margret?« Marke hatte sich ihr entgegengebeugt und konnte sich trotz seiner Angst um Tristan ein bitteres Lächeln nicht verkneifen. Er kannte die Naivität Margrets und ihre schlichten Gedanken nur allzu gut und konnte sich gleichwohl immer wieder über sie wundern. Ihre Stupsnase, die von der Seite besehen besonders eindrucksvoll war, unterstützte ihr unbefangenes Gerede. Doch manchmal brachte ihr kleiner Mund auch Worte hervor, die überraschten.
    »Es gibt kein Leben ohne Tod, mein Lieber«, sagte sie diesmal. »Wir existieren nur vom Humus der Dahingeschiedenen. Aber solche Gedanken sind abscheulich.«
    »Humus?«, fragte Marke mehr für sich. »Du meinst wohl den Reichtum deines Mannes, von dem auch du …«
    »O sieh nur!«, unterbrach ihn Margret. »Sie haben sich entschieden. Tristan reitet von Norden her an. Er kämpft nicht nur gegen Morolt, sondern auch gegen die Sonne, die unser Feind als Bild sogar auf seinem Schild trägt.«
    »Das Zeichen der Iren«, mischte sich Courvenal ein, um das Gespräch zu versachlichen und Marke abzulenken. Er sah, wie heftig der König von Cornwall atmete, als würde er selbst dort auf Tristans Pferd sitzen.
    »Die Sonne scheint gar nicht«, bemerkte Marke trocken.
    »Hinter den Wolken scheint sie immer«, sagte Lady Margret, »und jetzt«, ihre Stimme überschlug sich, »nimmt er seine Position ein!«
    »Ich will nichts mehr hören!«, befahl Marke in diesem Augenblick barsch. »Kein Wort mehr, bis der Kampf beendet ist. Was auch immer dort auf der Insel geschehen mag, ich möchte keinen Kommentar hören« - seine Stimme wurde plötzlich laut, und er wandte sich auch an all die Barone und ihre Frauen auf der Tribüne -, »ich möchte nichts hören, bis der Kampf vorüber ist!«
    Ganz still wurde es nun, Lady Margret bedeckte sogar ihre Augen mit der Hand. Auch die Zuschauer von den Höfen und die Reiter, die aufgestellt worden waren, verstummten. Nur noch das Rauschen des Meeres, der Wind und die Schreie der Vögel waren zu hören.
    Da sah man aus der Ferne, wie Tristan sein Pferd anspornte. Morolt, am anderen Ende der Insel, tat das Gleiche. Die Pferde fielen in einen kurzen Galopp, die Lanzen senkten sich, die Reiter stürmten aufeinander zu. Einen Augenblick lang wurde Tristan von einem Fels verdeckt und Morolt von einem auf seiner Seite - bis beide Reiter wieder auf einer ebenen Fläche erschienen, aufeinander zuhielten und gegeneinanderzuprallen schienen. Die Lanzen brachen, Stücke davon wirbelten durch die Luft, Morolts Pferd knickte in den Vorderbeinen ein, Tristan sprang mit Arrow über das eruische Ross hinweg und kam vor einem Felsbrocken zum Stehen. Er stieg sofort aus dem Sattel und zog eines der Schwerter aus dem Halfter. Morolt lag noch am Boden, hatte sich aber ebenfalls sein Schwert greifen können und versuchte sich zu erheben. Da war Tristan schon bei ihm und schlug auf ihn ein. Morolt, noch nicht ganz auf den Beinen, torkelte zur Seite und wich so zweien von Tristans Hieben aus.

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