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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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erschöpft sein, öffnete aber noch einmal den Mund und stieß hervor, was Courvenal nicht hören wollte: »Er ist unsterblich.«
    Unsterblich - das bloße Wort schon nahm dem Mönch den Atem. Nur Jesus war unsterblich, Gott ohnehin, aber Gott war kein Mensch, sondern nur in Jesus zum Mensch geworden, also nur ein Teil von dieser Unsterblichkeit, aber deswegen zum anderen Teil auch nicht sterblich.
    Helen hatte während seiner Gedanken längst die Augen geschlossen und schlief. Wenn sie nun recht hätte, dachte Courvenal weiter - und dabei überkam ihn ein Gefühl des Glücks -, wenn Tristan unsterblich war, dann wäre …
    »Meister Courvenal!« Die Stimme des Schiffsführers.
    »Ich bin hier unten!«, schrie er zurück.
    »Winde kommen auf, wir müssen uns entscheiden! Irlands oder Englands Küste!?« - Wieder der Schiffsführer.
    Courvenal musste nicht lange überlegen. »England!«, entschied er.
    Eine Weile noch ruhten seine Blicke auf dem Gesicht der schlafenden Magd. Sie atmete ruhig und gleichmäßig.
    Courvenal verließ sie und stieg über die Leiter hinauf an Deck.

Vierzehntes Buch
     
    DIE HEILUNG
     
    Kapitel 218-228
     
    Klamme Finger ~ 218 ~ Das singende Boot
     
    Das eintönige Geräusch der ständig gegen den Bootsrumpf schwappenden Wellen machte Tristan schläfrig. Er lag zwischen den Planken des Beiboots und war so kraftlos, dass er sich nicht mehr aufrichten konnte. Heftiges Fieber musste ihn ergriffen haben. Seine Glieder und sein Kopf glühten, als wären sie der prallen Sonne ausgesetzt. Doch wenn er die Augen öffnete, sah er nur in trübes Grau. Sollte das der Himmel sein?, fantasierte er, oder war er in seiner ganzen Schwere auf ihn herabgesunken? Die Harfe, die Courvenal ihm gegeben hatte, hielt er sich vor den Leib, umarmte sie beinahe, zupfte dann und wann auf den Saiten herum und versuchte, ein Lied zu singen.
    Wer Tugend will der Liebe wegen, verirrt sich rasch - er unterbrach sich, fand keinen Reim, begann von vorn mit neuem Rhythmus - Werden uns finden, unter den Linden - trank einen Schluck Wasser aus dem Lederbeutel, nahm ein Stück Brot, kaute es lange, musste husten, spuckte Brotreste aus - dann bin ich dein, und du erst richtig mein - hatte das der vortreffliche Hartmann nicht auch schon gesungen? - sind immer da im Uns, wie das Leben in - er wusste nicht weiter, worum ging es? - das Leben, die Kunst - in der Kunst ist unser Leben, beiden will ich alles geben.
    Die Harfe war Tristan längst vom Schoß geglitten, er wusste es nur nicht, zupfte auf Saiten, die er sich vorstellte, mit Fingern, die klamm und taub in den Falten seines Rocks lagen. Ein Geruch, der schlimmer nicht von der Latrine kommen konnte, entströmte seiner Wunde, das Bein, in dem sie pochte und brannte, spürte er schon fast nicht mehr. Er wandte den Kopf zur Seite.
    Das Boot dümpelte dahin. Glück, großes Glück habe er gehabt, die Götter seien mit ihm gewesen, sagte man später, dass er in eine Flaute geraten sei, in ruhiges Wasser, sonst hätte eine einzige Welle das Boot umwerfen können und er wäre ertrunken.
    Die eruischen Fischer waren verärgert über die halb tote See und stießen auf Tristans Boot unweit der Küste wie auf ein Stück Treibholz. Kreischende Möwen umflogen es, weshalb sie annahmen, dass sich darin irgendetwas Essbares befände. Oder ein verbannter Ritter, dessen ledernes Schuhwerk und Gürtelschnalle noch zu gebrauchen wären, vielleicht gab es sogar Waffen! Mit Vorsicht näherten sie sich dem führerlosen Boot. Möglich waren auch eine List des britannischen Feindes, der plötzlich mit Pfeilen auf sie schoss, um ihre Boote zu kapern, oder gar ein Aussätziger mit einer ansteckenden Krankheit.
    Mac Pattern, der Sohn von Pattern aus Wexford, ließ nahe an das Boot heranrudern. Vielleicht hatte der Ritter, der darin lag, oder das, was von ihm übrig geblieben war, noch einen goldenen Ring am Finger, eine Kette um den Hals. Mac Pattern ließ sich einen Trichter geben, durch den er gegen das Boot rief: »He du, bist du noch am Leben, du, in dem Boot? Sag etwas! Wir können dir helfen!«
    Nichts rührte sich, das Boot trieb weiter richtungslos auf der glatten See, Mac Pattern wiederholte seine Worte und wies seine Leute nun an, Abstand zu halten.
    Da erwachte Tristan. Er verspürte quälenden Durst, hörte die Stimme, die über ihn hinwegschallte, wollte sich aufrichten und vermochte es nicht, als wäre ihm der Rücken gebrochen. Er wünschte sich nichts sehnlicher, als zu antworten, dass

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