Tristan
Zornesbrut?«, fragte sie ihre Tochter.
»Fieber, Schwellungen, Entzündungen, Eiter«, sprudelte es aus dem Mund der jungen Frau hervor. »Man muss den Saft der Gräser nur mit irgendetwas mischen und ordentlich einkochen, dann haben ich und Brangaene vielleicht ein Mittel gefunden, das vielen Verletzten helfen kann.«
»Womit mischen?« Königin Isoldes Frage klang äußerst fordernd in Mac Patterns Ohren.
»Das wollte ich dich fragen, du kennst dich doch wie keine andere aus. Ich und Brangaene dachten an fimble oder auch Fingerhut. - Wonach riecht es hier eigentlich?«
»Vergiss den Fingerhut, fimble ist besser. Und vergiss Brangaene, die hat von solchen Sachen keine Ahnung. Frag sie lieber, was die Steine sagen über ein singendes Boot, das draußen nicht weit vom Hafen auf dem Meer schwimmt.«
»Ein singendes Boot?« Isolde, die Tochter, horchte erstaunt auf. Alles, was an Ungewöhnlichem geschah, interessierte sie brennend.
»Ja, ja, ein singendes … Bist du noch da?«, erinnerte sich Königin Isolde plötzlich an Mac Pattern.
»Hier, Herrin, hier!«
Nun sah auch die Tochter den ärmlich gekleideten Mann, der nah beim Ausgang stand und seine Mütze in den Händen drehte. Sie näherte sich ihm rasch bis auf ein paar Schritte und sog die Luft ein. »Du riechst nach Fäulnis«, sagte sie ihm auf den Kopf zu. »Holst du etwa verwesten Fisch aus unserem lebendigen Meer?«
»Nein, meine Herrin«, stotterte Mac Pattern. »Aber ich habe das Boot gefunden, und von dort treibt ein widerwärtiger Geruch übers Wasser.«
»Ich denke, das Boot kann singen. Wie sollte es dann stinken?«
»Ich weiß es nicht«, sagte der Fischer und fügte hinzu: »Es spielt auch eine Harfe.«
»Eine Harfe?«
»Wie ich zuvor keine gehört habe. Sie passt sich in die Stimme ein - und die Stimme zu allen Klängen.«
Isolde, die Tochter, war begeistert. »Wie groß ist es denn, das Boot?«, wollte sie wissen.
»Klein, mit Platz für vier Männer, nicht mehr.«
»Und hast du einen dieser >Männer< gesehen?«
»Niemanden .«
»Das ist eine List der Britannier«, sagte Königin Isolde düster. »Sie bringen uns irgendeine schwarze Krankheit, um uns zu vernichten. Steckt das singende Boot in Brand.«
»Aber nein!« Isolde, die Tochter, zog eine Münze aus ihrem Gürtel und warf sie vor die Füße des Mannes. »Fahr mit der Hafenwache hinaus zu dem Boot. Schau nach, was darin ist. Dann sag uns Bescheid. Und jetzt geh und wasch dich, bevor du wiederkommst - in anderen Kleidern.«
Mac Patterns Augen glänzten, als er einen silbernen Burgpfennig vom Boden aufhob. Im Weggehen hörte er noch, wie Königin Isolde zu ihrer Tochter sagte: »Was glaubst du, wer hier bestimmt, was geschieht? Kümmere du dich lieber um die Kräuter …«
Todgeweiht ~ 219 ~ Das Verhör
Zusammen mit den Wachen entdeckte Mac Pattern den auf den bloßen Planken des Bootes liegenden unbewaffneten Mann. Er hatte eine Harfe auf seine Brust gelegt, deren Form man in der eruischen Welt bisher nicht gesehen hatte. Das Instrument sah aus wie ein halber übergroßer Kürbis mit einem langen schmalen Brett, über das Saiten gespannt waren, die am Ende um Holzstifte festgezogen werden konnten. Dort drückten die Finger der linken Hand des Mannes auf die dünnen Schnüre, während die seiner rechten unablässig die Saiten über der Holzschüssel zupften. Der Mann sang dabei mit einer reinen und wechselreichen Stimme und hielt die Augen geschlossen. Er bemerkte nicht einmal, dass sich ihm ein Boot genähert hatte und Fanghaken ausgelegt waren, um es zu sichern. Da zugleich mit dem schönen Gesang ein ekelerregender Geruch von dem Boot ausging, hielt die Wachmannschaft Abstand in der Länge der Einholstangen, besprach sich aber mit dem Wachführenden, das Boot ans Ufer zu bringen. Mit dem Sänger zu reden erwies sich als unmöglich. Er schien nichts zu hören außer seiner eigenen Stimme. Einer der Wachmänner entdeckte aus der Entfernung auch die Wunde an seinem Bein. »Wir hatten einmal einen Hund«, sagte er trocken, »der auch dort verletzt war und fast genauso stank. Nichts und niemand konnte helfen.«
»Aber das hier ist ein Mensch und kein Hund«, sagte Mac Pattern daraufhin und befahl Tristans Verbringung in den Hafen. Bei Ankunft sollte ein Medicus gerufen und die Königintochter unterrichtet werden, von der er den Befehl zur Bergung erhalten habe. Als sie Tristan später aus dem Boot hoben und zu einem Lager brachten, glaubten sie einen Töten zu
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