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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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diesem Land der ars?«
    Da sprang Tristan auf, half ihr, sich vom Boden zu erheben, beugte sich ihr entgegen und flüsterte ihr ins Ohr, als wäre es ein Geheimnis: »Wer anderes soll im Reich der Kunst herrschen als sie selbst?«
     
    Fünfundzwanzig ~222~ halbe Goldschillinge
     
    »Ich bin ich und bin es zugleich nicht« - diesen Satz musste sich Tristan im Verlauf der folgenden Monate immer wieder sagen. »Ich bin Tristan und nicht Tantris«, murmelte er, wenn er allein war. Anfangs, wenn man nach ihm rief und er »Tantris!« hörte, reagierte er nicht, spielte weiter auf seiner Harfe. Später verfluchte er diesen Namen, die Lüge, die ihn am Leben hielt. Mit niemandem konnte er darüber sprechen, nicht einmal mit Benedictus, der an sein Schweigegelöbnis als Mönch gebunden gewesen wäre. Einzig die Gegenwart der jungen Isôt zerstreute seine Zweifel und hielt ihn vom Grübeln ab.
    Die Königinmutter hingegen mied er, so gut er es vermochte. Er ahnte, dass sie allen und damit auch ihm misstraute. In ihrer Gegenwart fühlte er sich mehr als Tristan denn als Tantris. Als Tristan hatte er ihr schließlich Unglück gebracht, er war es, der ihre Rachegedanken schürte und sie nicht zur Ruhe kommen ließ. Doch da sie, die große Zauberin und Giftmischerin, nicht darauf kam, wie er sich versteckte, und den Zauber nicht entschleiern konnte, der in der bloßen Verkehrung der Silben seines Namens lag, fühlte er sich sicher. Und nun schwamm auch noch in seinem Blut ihr Gift und Gegengift, das ihn dem Tode nahgebracht und ihn zugleich davor errettet hatte.
    Das Jahr schritt voran. Isolde, die Tochter, machte gute Fortschritte bei allen Übungen, die er ihr beibrachte. Er liebte ihre Gegenwart, kam ihr aber nie zu nahe. Schließlich war er durch die Entzweiung in sich selbst gehemmt. So gern er sie manchmal umarmt hätte, weil sie so schön, so lieblich war und ihn so liebend anblickte - wer hätte sie umarmen wollen: Tantris oder Tristan?
    Einmal, bei einem Fest, das gegeben wurde, als Gurmûn zurückkam von einem seiner Beutezüge, mit denen er glaubte, die Ruhe im Land herzustellen, forderte ihn der König selbst auf, mit Isôt zu tanzen. Alle hatten genug des Bieres getrunken und auch vom sauren Wein, den Benedictus lieferte, als die Aufforderung laut wurde. Tristan schreckte zurück, doch Isolde, die Tochter, lockte ihn in die Mitte des Raumes. Die Umstehenden klatschten in die Hände, die Musikanten spielten mit Harfen und zwei Schlaghölzern auf. Tristan konnte nicht anders, als Isôts und ihres Vaters Wunsch zu entsprechen. Da er sich beim Trinken zurückgehalten hatte, ging er aufrecht auf Isolde, die Schöne, wie sie genannt wurde, zu und empfand in diesem Augenblick auch ihre sharilleaght. Sie stand vor ihm in einem Kleid, an das Sommerblumen genäht waren, und strahlte ihn an, kniff sogar die Augen zusammen, um ihn zu ermutigen, breitete die Arme aus, um ihn zu empfangen - da wusste Tristan nicht mehr, ob er nicht doch Tantris war und es auch sein wollte. Er sah in die leuchtenden Augen der Königstochter, war voller Angst und voller Freude - und verlor darüber das Bewusstsein.
    Er wachte auf in den Armen der Königin, die besorgt schien, erst nach Wasser rief und sich dann dafür entschied, ihm Bier einzuflößen, das ihn zugleich beruhigen und beleben sollte.
    Auch Benedictus stand bei ihm. »Bruder«, hörte Tristan ihn sagen, als wollte er ihn bekehren, »du solltest mit deiner Sehnsucht, Gott nahe zu sein, nicht übertreiben. Junge Säfte schießen manchmal…«
    »Lass das Geschwätz!«, unterbrach ihn Isôts Mutter. »Bringt ihn auf sein Lager. Morgen geht der Unterricht weiter.«
    Tristan war froh, dass man ihn wegführte. Er lebte in einem kleinen Raum oberhalb der Ställe, wo auch noch andere Knechte des Königshauses ihre Unterkunft hatten. Er war froh, die kalte Stimme der Königin nicht mehr hören zu müssen. Warum ihn ein Schwindel ergriffen hatte, konnte er sich nicht erklären. Vielleicht lag der Grund darin, dass er dies alles nicht wollte. Aber wie sollte er aus dem Käfig der Lügen, den er sich selbst erbaut hatte, wieder herauskommen? Die Wahrheit konnte er nicht sagen, das wäre sein Tod gewesen. Also musste er weiterlügen. Doch wie viele Lügen gab es noch, die er auf seinen Schultern tragen konnte?
    Als er so da lag in dem engen Raum, musste er sich an Thomas, den Pferdeknecht erinnern, der sich in der Burg von Herman von Buckingen in Spanien in seinem Verschlag so wohlgefühlt hatte,

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