Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
Vom Netzwerk:
weiter zu beachten, hinauf zur Burg. Königin Isolde traf er in dem Raum an, in dem sie ihre Kräuter trocknete, und verkündete ihr, es sei jetzt an der Zeit: Mit dem nächsten Schiff würde er aufbrechen.
    Isolde stand über ein Brett gebeugt, auf das sie Blätter und Blüten ausgelegt hatte, wandte ihm den Rücken zu und fragte, ohne sich umzudrehen: »Wohin?«
    »Nach Hause«, sagte Tristan. Er sah, wie die Königin mit dem Kopf nickte, dann verließ er den Raum. Schon am nächsten Morgen begann er damit, seine Sachen zu ordnen.
    Eine Woche später bestieg er ein nordisches Schiff. Als es ablegte, war niemand am Hafen, der ihm nachwinkte. Isôt und Brangaene waren auf der Burg geblieben. Dort hatte er sich von der Königin Tochter verabschiedet, hatte sich tugendhaft verbeugt, ihr Glück und sonnige Tage gewünscht und versprochen, dass sie, wenn er zurückkäme, die iberische Sprache lernen würde und noch mehr über die Kunst und den Gesang. Er wusste, dass dies alles nur hohle Worte waren, und wagte es nicht, Isôt noch einmal in die Augen zu blicken, Augen, die er nie mehr wiedersehen würde.
    Brangaene hatte wohl bemerkt, dass etwas geschehen war, über das keiner sprechen wollte. Von einem auf den anderen Tag, so schien es ihr, war Tantris plötzlich verschwunden, als wäre er nie da, sondern nur einer der Geister gewesen, von denen ihr Vater so oft sprach. Sie saß nun öfter des Nachts am Rand ihrer Lieblingswiese und hatte das Gefühl, sie würde vor allen anderen Tantris am meisten vermissen. Wenn der Mond schien, blickte sie voller Wehmut in die Landschaft, sah über Hügel und Waldränder zu den fernen Lotsenfeuern entlang der Küste. Der Winter nahte, im Königshaus brannte schon Feuer in den beiden Kaminen, die Gurmûn hatte bauen lassen, damit sein wib iseult dort ihre Fußsohlen wärmen konnte. Brangaene hasste diesen Mann. Er kam immer nur von irgendwo hereingestürmt, forderte Essen und seine Frau, beschlief sie, fraß, schlief, ritt weiter, fragte nach seiner Tochter, schien eine Antwort gar nicht hören zu wollen, sondern war schon wieder auf dem Weg nach Cork oder Wexworth oder Connaught, ohne dass die Zurückbleibenden wussten, wohin er wirklich unterwegs war. Kehrte er zurück, beschlief er Isolde, schlug sich den Wanst voll und brach wieder auf.
    Die Königin erduldete die Grobheiten und war froh, wenn sie wieder allein war. Dann konnte niemand ihre Unruhe bemerken. Seit Tantris fort war, spürte sie, dass irgendetwas ihre Macht untergrub. Eine Zeit lang schrieb sie den Grund für ihr Zittern und inneres Beben, wie sie es nannte, den Mönchen zu. Nach einem der Christusfeste wollte sie mit Benedictus nichts mehr zu tun haben. Alle seine Besuche wies sie ab. Wenn er kam, ließ sie ihm einen Krug Bier vor die Tür stellen, den trank er aus und ging in sein Höhlenkloster zurück.
    An einem Abend, als Gurmûn nicht auf der Burg war, brachte ein Läufer die Nachricht, nur wenige Meilen entfernt von Wexford würde in den Wäldern ein Untier hausen, das schon zwei Reiter getötet hätte. Isolde ließ daraufhin ein Dekret verkünden, dass dieses Gebiet von Reisenden und auch Soldaten zu meiden sei. Auch Isôt und Brangaene verbot sie strikt, die Burg zu verlassen.
    »Was sollen wir hier den ganzen Tag über tun?«, fragte Isôt vorwurfsvoll. »Jetzt, wo Tantris nicht mehr …«
    »Tantris, Tantris!«, fiel ihr Isolde verächtlich ins Wort. »Es gibt auch noch andere Männer in unserem Königreich!«
    »Was hast du plötzlich gegen ihn?« Isôt wurde zornig und ereiferte sich. »Ich habe nie, nie, nie zuvor in meinem Leben solch einen liebenswerten Menschen kennengelernt. - Und das alles habe ich dir zu verdanken.«
    »Warum mir?«
    »Das Gift!«, sagte Isôt. »Ohne das Gift und dein Gegengift wäre das alles nicht geschehen.«
    Isolde lachte bitter. »Und was hat dir dieses Gift nun zum Ende hin gegeben?«
    »Das fragst du?« Isôt war erstaunt. »Weißt du denn nicht, was ich alles gelernt habe: Singen, Spielen, Sprachen, Sprechen, Denken, so sein, wie ich bin, so werden, wie ich sein will, wie du gerne wärst, zum Teil auch bist - eine Königin eben!«
    Es lag etwas Hochmütiges im Tonfall ihrer Tochter, deshalb tat Isolde diesen habitus Isôts mit einer einfachen Handbewegung ab. Sie fühlte sich seit geraumer Zeit schlecht, litt an Durchfall, musste sich ständig über den locus setzen, dauernd ihre Schenkel und Füße abwaschen, und sie hasste den Gestank, dem sie ausgesetzt war. Dieser

Weitere Kostenlose Bücher