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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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niemand neben, über oder unter ihm, ein Gatter, das man nachts verschließen konnte. »Es ist beinahe, als ob ich Frau und Kinder hätte«, hatte ihm Thomas damals gesagt. Tristan, selbst noch ein Knabe, hatte diesen Worten kein Gewicht beigemessen. Jetzt erinnerte er sich daran, und schon ein paar Tage nach Gurmûns Fest nutzte er die Gelegenheit, um gegenüber Königin Isolde, als sie den Wochenplan festlegte, zu erwähnen, dass er nun ausreichend genesen sei, um zu seiner Familie zurückzukehren.
    Isolde erschrak, als sie das Wort familia hörte. »Du hast eine Frau?«, fragte sie voller Erstaunen.
    »Helena, so ist ihr Name.« Tristan schlug die Augen nieder.
    »Und Kinder?«
    »Zwei.«
    »Zwei Kinder?!« Isolde war fassungslos. »Warum hast du uns bis heute nichts davon gesagt?«
    In diesem Moment betrat Isolde, die Tochter, das Gemach. Wie um eine Verbündete für ihre eigene Ratlosigkeit zu finden, wandte sich Isolde gleich an Isôt und fragte sie scheinheilig: »Wusstest du etwa, dass Tantris eine Frau hat und zwei Kinder?«
    »Nie im Leben - hat er die …«, prustete Isôt hervor. »Die hat er erfunden!«
    »Frauen und Kinder kann man nicht erfinden!«, herrschte die Königin ihre Tochter an, die daraufhin ihr albernes Gehabe unterließ.
    »Ich will damit auch nicht sagen«, unterbrach Tristan den aufkeimenden Streit, »dass sie mich höfisch vermissen. Für ihr Auskommen ist gesorgt. Ich dachte nur daran, dass ich vielleicht Eure Hoheit darum bitten könnte, mir einen Urlaub von der Erziehung Eurer Tochter zu gewähren. Zwei Monde würden reichen bis zu meiner Rückkehr. Ich müsste allerdings« - unterbrach er sich - »auch um einen Lohn für meinen bisherigen Dienst bitten und denke dabei« - wieder unterbrach er und räusperte sich - »an 25 halbe Schillinge.«
    »Fünf-und-zwanzig-halbe-Schillinge?« Die Königin dehnte die Worte und stand auf. Isôt blieb mit offenem Mund in der Nähe des Vorhangs beim Eingang.
    »Scheint Euch das zu wenig?«, fragte Tristan, als wäre er glücklich überrascht. »Dann gerne auch dreißig, was dem wahren Wert weitaus näher kommt. Ich wusste doch, wie sehr Ihr meine Hilfe schätzt.«
    Isolde schluckte. Isôt meckerte dazwischen: »Das ist doch gar nichts.«
    Der Ausgleich für seine Bemühungen war, das musste Isolde anerkennen und wies darum ihre Tochter mit einer Handbewegung zurück, gut berechnet, und dass der Kaufmann in Tantris Rechnungen aufstellte, beschwichtigte sie in ihrem immer wieder aufflackernden Zweifel, ob dieser junge Mann wirklich ein Kaufmann war. Denn dass ein Spielmann jemals mit einer derart horrenden Forderung zu ihr gekommen wäre, war undenkbar gewesen. »25 halbe Schillinge?«, wiederholte sie Tristans Worte, sah, wie er sich währenddessen wieder lachend um Isôt kümmerte und ihr bei dem anhaltend schönen Wetter einen Ausritt vorschlug. »Natürlich nehmen wir die kleinen Pferde, die ihr hier auf der Insel habt. Doch wenn du mich einmal auf eine Reise begleiten könntest auf das Festland und wir kämen nach Iberia, zeigte ich dir Pferde so groß und stark, dass du Treppen brauchst, um auf ihren Rücken zu steigen. Das größte Pferd aber, das es jemals gegeben hat, war ganz aus Holz. Habe ich dir schon einmal davon erzählt? Es ist die vielleicht schönste Geschichte, die es auf dieser Welt gibt.«
    »Keine Geschichten!«, forderte Isolde, als sie ihre Tochter schon wissbegierig mit dem Kopf nicken sah. »Du bekommst die Münzen«, sagte sie rasch zu Tristan, »und die Überfahrt zu deiner Familie. Wann soll sie stattfinden?«
    »Das hat Zeit«, sagte Tristan leichtfertig und fügte wie nebenbei hinzu: »Cordialen Dank für das Entgelt. - Und Ihr, schöne Königstochter« - Tristan machte eine tiefe Verbeugung -, »wollt Ihr die Geschichte hören von dem hölzernen Pferd, das größer war als alle Mauern, die Eure Königshäuser umgeben?«
    Isolde sah den strahlenden Blick ihrer Tochter und warf den Kopf zur Seite. Sie konnte nicht glauben, was da geschah. Ein Kaufmann und Spielmann, dachte sie, mit einer Königstochter, das ging nicht zusammen, und doch stimmte es. Hölzernes Pferd! Was sollte das sein? Innerlich lachte sie so tief und bitter, dass es keiner hören konnte.
    In diesem Moment betrat Gurmûn den Saal. Er schien aufgeregt, Tristan und Isôt nahm er gar nicht wahr, stürmte gleich auf Isolde zu, umarmte sie und redete drauflos: »Drei Wildschweinrotten sind im Wald bei Texlow aufgebracht worden. Wir hätten einen Mond lang

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