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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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zurück an die Küste. Bevor Courvenal nachfragen konnte, fuhr er fort: »Als die Feuer der Händler am Hafen zur Glut hinabsanken, ich genug gesungen hatte und die Leute ihre Lager an der Mauer aufsuchten, wurde mir wieder bang ums Herz. Noch immer hatte ich keine idea, wie ich es anstellen sollte, um die Königstochter zu werben. Ich konnte doch nicht einfach so in die Burg hineinspazieren und vor Gurmûn um die Braut werben! - Aber es zog mich den Hügel hinauf, Isôt und Isolde entgegen. Da war es schon tief in der Nacht. Am Weg lag eine Hütte, in der sah ich durch die Ritzen zwischen den Brettern Licht flackern. Ich pochte an den Verschlag, mir wurde geöffnet, ich wollte nur um Wasser bitten, da sah ich mitten im Raum einen Jungen liegen, blutüberströmt. Ich erschrak.«
    Tristan stand auf und begann, die herbeigeschafften Kleider anzuziehen, zu Courvenals Überraschung nun solche, wie ein Ritter sie trug. Währenddessen erzählte er überschwänglich und wortreich von seinen Erlebnissen, und Courvenal hörte, wie Tristan an jenem Abend, als er in der Hütte am Rand des Weges zur Burg auf den Verwundeten traf, von den jammernden Angehörigen erfuhr, welches Schicksal den Knaben ereilt hatte. Eric, so hieß er, war mit einem Ritter aus Gurmûns Garde als Knecht ausgezogen, um in den Wäldern von Sheldon ein Untier zu erlegen, das die ganze Gegend bedrohte und es unmöglich machte, dort zu jagen. Deswegen hatte die Königsburg einen Preis ausgesetzt: Wer es schaffe, den Drachen zu töten, dem sei die Königstochter als Frau versprochen.
    Als Tristan dies hörte, hatte er beinahe lachen müssen, wäre da nicht dieser arme Kerl in der Hütte gelegen und hätte im Gesicht und an der linken Brust die schrecklichsten blutenden Fleischwunden gehabt. Die Eltern des Jungen erzählten, was ihr Sohn erlebt hatte. Der Ritter sei mit ihm und einem zweiten Knecht in den Wald geritten und habe den ganzen Tag nach dem Untier gesucht. Plötzlich sei, als die Nacht hereinbrach, bei einer Felsgrotte Feuer ausgebrochen und ein unheimliches Schnauben zu hören gewesen.
    »Auf einmal«, berichtete Tristan, »sah dieser Eric riesige leuchtende Augen, das Ross des Ritters bäumte sich auf, warf den Reiter ab, die Knechte eilten ihm zu Hilfe und stürzten sich in den Kampf. Feuer und Glut, stinkender Brodem und ein beißender Atemhauch hätten sie eingehüllt und spitze Krallen nach ihnen geschlagen, die aus purem Eisen waren. Den Ritter fanden sie tot mit verbranntem Gesicht unter seinem Helm, sie selbst konnten sich gerade noch retten. Doch der andere Knecht musste auf der Flucht sein Leben lassen, während er, Eric, den Waldrand erreichte. Einen ganzen Tag lang habe er sich dann nach Hause zu seinen Eltern geschleppt - und seitdem lag er da mit Wunden, die sich nicht schließen wollten. Es war ein furchtbarer Anblick«, sagte Tristan und band sich die Schuhe.
    Als er spürte, dass das Leben aus dem Jungen zu weichen begann, hatte er sich zurückgezogen und war aus der von Jammer erfüllten Hütte auf die Straße getreten. In einem Unterstand für Ziegen suchte er sich einen Schlafplatz und wollte den nächsten Tag abwarten, um noch einiges über die Mär zu erfahren, im Wald von Sheldon wüte ein Ungeheuer, das Feuer speie.
    »Du kannst dir vorstellen«, wandte sich Tristan an Courvenal, »woran ich dachte, als ich von dem Drachen hörte.«
    »An das Feuer im Wald.« Courvenal nickte lächelnd mit dem Kopf. »Wie lang ist das her?«
    »Viele Jahre!«
    »Sehr viele Jahre. - Sind seitdem Drachen entstanden?«
    »In Irland vielleicht.«
    Tristan und Courvenal mussten lachen, und Tristan nahm doch noch einen Schluck aus seinem Becher. Jedenfalls habe er sofort geahnt, sagte er, dass es sich bei dem Drachen um eine List Isoldes, der Königin, handeln musste. Deshalb ging er, noch immer als fili verkleidet, anderntags zu den Leuten am Hafen, spielte für sie und hörte sich um. Wie ihm dort erzählt wurde, waren bisher ein Dutzend Ritter in den Wald von Sheldon gezogen und nicht wieder daraus hervorgekommen. Dass Königin Isolde in facto demjenigen, der das Ungeheuer besiegen würde, ihre Tochter versprochen hatte, war anscheinend ernst gemeint und von königlichen Ausrufern bestätigt worden. Es hieß auch, dass der Truchsess von Isoldes Burg, der zugleich der Marschall und ein Verwandter von Gurmûn sei, sich darauf vorbereite, gegen den Drachen anzureiten und ihn zu erlegen. Er habe schon einige der kräftigsten Männer aus dem Süden

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