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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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höfische Kleidung musste abgelegt werden, in Hemd und Beinhosen liefen die Herren jeweils einzeln herum, begleitet von dem unverhohlenen Gekicher der Mannschaft.
    Zu sehen gab es dabei nichts, rein gar nichts: Um das Schiff herum erblickte man nur die See, nicht einmal Möwen umflogen es. Irland war nicht fern, das wussten alle, aber wo war es?
    Einmal kamen Winde auf und trieben das Schiff seitwärts ab. Es geriet in Schieflage, und Wessely, der inzwischen zum Sprecher der Barone ernannt worden war, bat um eine Unterredung mit dem Kapitän. Der empfing ihn beim zweiten Hauptmast. »Was wollt Ihr?«, fragte Gorr.
    »Gewissheit!«, forderte Baron Wessely.
    »Das gibt es auf dem Meer nicht!« Gorr, dem Tristan während seiner Abwesenheit die Befehlsgewalt über Mannschaft und Passagiere erteilt hatte, blickte in Baron Wesselys schwammiges Gesicht. »Welche Gewissheit meint Ihr denn?«
    »Ob er uns wiederfindet!«
    »Wer?«
    »Wer schon!« Wessely geriet außer sich. »Tristan natürlich!«
    »Niemand weiß das! Geht zurück unter Deck und beruhigt die Pferde!«
    Die Pferde!? Baron Wessely schwindelte bei diesem Gedanken. Er war Herrscher über ein Gebiet von mehr als tausend Ackern, besaß Wald, von dem er bisher nur, wie er meinte, einige wenige Bäume gesehen hatte, und Ställe, in denen mehr Zuchtpferde standen als Dienstleute in seinem Dorf wohnten. Seit mehr als zwei Jahren versuchte er, seine Tochter Florine mit Fürst Marke zu verheiraten, doch Marke hatte sie immer wieder abgewiesen. Jeder Mann, der in Florines Augen blickte, glaubte, in einem magischen See zu versinken. Nur Marke begann mit den seinen zu zwinkern, wenn er der jungen Frau gegenübersaß, als würden ihm Tränen unter die Lider steigen. Dann wandte er sich ab und bemerkte später gegenüber seinen Vertrauten, er könne diesen Blick nicht ertragen, er bereite ihm Schmerzen. Was er sehe, sei die »reine Leere«. Baron Wessely hatte von solchen Reden gehört, und er grollte seitdem sowohl seinem König wie auch dem ihm unverdient nachfolgenden Erben Tristan von Parmenien. Und nun war er ausgerechnet auf Befehl des Königs in eine Gesellschaft geraten, die einen Spielmann begleiten musste, der für seinen König um eine Braut werben sollte, die noch niemand gesehen hatte! Um aber das Komische noch lustiger zu machen, erlaubte sich darüber hinaus ein krummbeiniger Kapitän, ihn, Lord Wessely, wie einen Knecht unter Deck zu den Pferden zu schicken! Wessely musste ausspucken, er hatte das Gefühl, seine Kehle sei voller Salzwasser.
    »Wohin fahren wir eigentlich?«, schrie er den Kapitän an. »Wir fahren im Kreis.«
    »Wie herum?«, wollte Wessely wissen und lachte bitter. »Nach links oder nach rechts?«
    »Immer der Nase nach!« Gorr wurde ungehalten. »Geht jetzt nach unten, sonst muss ich Euch dorthin bringen lassen!«
    Wenn wir wieder an Land sind, dachte Wessely voller Wut, werde ich diesen Kapitän …
    Fünf Tage waren vergangen, seit Tristan das Schiff verlassen hatte. Fünf Tage lang trieben sie nun schon auf See vor der Küste Irlands. War das ein Narrenspiel? Wessely musste sich an einem Tau festhalten, weil das Schiff zu schlingern begann. Eine Windböe trieb es gegen die Wellen.
    »Ich verlange, dass wir zurückkehren nach England. Ich verlange es auf der Stelle!« Wessely war außer sich.
    »Mylord, wir können nicht…« Gorr sah den zornig entschlossenen Blick des untersetzten Mannes und schwankte.
    »Zurück, sagte ich!«
    »Aber Sir Tristan…«
    »Zurück … sofort!« Wessely schrie. »Was meint Er denn, wer dieses Schiff bezahlt hat. Und aus welchen Wäldern stammt wohl das Holz für seinen Rumpf?«
    Gorr sah, dass Lord Wessely in der feuchtkalten Luft fror, und nickte ihm zu. Er ließ ein Segel setzen. Wessely hörte den Befehl und gab sich zufrieden.
    Das Schiff legte sich sacht in die Wogen des Meeres, was für den Baron Heimfahrt bedeutete. Tristan würde zurückgelassen, dies galt auch für die irische Königstochter, sollte der Bastard doch bei ihr bleiben. Florine mit ihren wasserblauen Augen würde das Turnier gewinnen. Wasserblaue Augen - das war die Erkenntnis, ein Zeichen des Schicksals, es war also doch nicht falsch gewesen, übers Meer zu fahren. Tristan hätte versagt, seinen Auftrag nicht erfüllt. Wessely sah sich schon triumphieren, stieg grinsend unter Deck und freute sich darauf, den Baronen seinen Sieg zu verkünden.
    Doch die Winde bliesen aus Nordost. Das konnte Wessely nicht ahnen. Das Schiff segelte

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