Tristan
sämtliche Barone der Grafschaft nach Seaford zu bestellen.
»Sämtliche!«, wiederholte er und fügte hinzu, als sei dies nötig: »Alle!«
Fünfzehntes Buch
DER KAMPF MIT SICH SELBST
Kapitel 229-235
Auf dem Schiff ~229~ überfahrt
Der Hafen von Seaford glich einem Jahrmarkt und hatte zu Friedenszeiten selten solch einen Trubel erlebt wie bei der Einquartierung der über vierzig Barone Cornwalls, die Tristan auf seiner Brautwerbefahrt nach Irland begleiten sollten. Die Christina konnte drei Segel setzen mit zwei Hauptmasten und einem Hecksegel. Zweiunddreißig Pferde hatten auf dem ersten Unterdeck Platz und gut einhundert Reiter im zweiten Unterdeck. Da manche der Barone mit einer Unmenge an Equipage ausgestattet waren und während der Reise auf ihre Knechte und Hunde nicht verzichten wollten, sah sich der Schiffsführer, Kapitän Gorr, gezwungen, einige Ladungen zurückzuweisen, da sie das Schiff überlasten würden. Hinzu kam noch Tristans strikte Anweisung, dass alles, was sich an Bord befand, im Bauch des Schiffes Platz haben musste. An Deck sollten, wenn sie vor Irland ankerten, nur er selbst, die Schiffsmannschaft und der Kapitän zu sehen sein.
Vier Tage dauerte die Verladung und doppelt so lange die Überfahrt. Tristan hielt sich die Zeit über meist bei Gorr auf, um dem missmutigen Gemurmel der Barone zu entgehen, die dieses Unternehmen als völlig unsinnig erklärten. Baron Wessely aus der Grafschaft Cox sagte es ganz deutlich: »Cornwall ist unser und gehört nicht einem Knappen, der vom Festland herstammt.«
Tristan versuchte, solche Beleidigungen gar nicht erst zu hören. Er war damit beschäftigt, sich Listen auszudenken, wie er die irische Königstochter nach Cornwall bringen könnte. Angst stieg in ihm auf, dass er mit einer Absage rechnen müsse. Alle würden ihn wiedererkennen, und besonders Königin Isolde hätte das Recht zu vermuten, dass er sich mit seiner Krankheit nur deswegen eingeschlichen hatte, um ihr Königreich auszukundschaften.
Während der Überfahrt konnte Tristan kaum schlafen. Dann meldete Gorr, die Küste sei bald in Sicht. Sofort gab Tristan den Befehl, die Segel einzuholen. »Wir bleiben von jetzt an da, wo wir gerade sind«, sagte er.
Gorr lachte. »Wie stellt Ihr Euch das vor, mein Herr? Ein Schiff ist kein Pferd, das man arretieren kann, das Meer kein Weg, auf dem man stehen bleibt! Und hier ist noch kein Ankergrund!«
»Dann setzt die Barone an die Ruder«, entgegnete Tristan schroff, »und befehlt ihnen, das Schiff im Kreis herumzudrehen. Das wird ihren Bäuchen und Muskeln gut tun.« Er sagte den Satz auf Lateinisch und wiederholte ihn auf Britannisch, Nordisch, Normannisch, Dänisch und Alemannisch und fragte nach, ob Gorr ihn verstanden habe. Der lächelte nur und nickte.
Als Nächstes sollte ein Boot ausgesetzt werden mit zwei Ruderern, um ihn an Land zu bringen.
»Das sind noch gut ein paar Meilen«, wandte Gorr ein.
»Tut, was ich Euch befehle!« Tristan war der Kommandierende des gesamten Unterfangens und besaß die Vollmacht von König Marke, sich bei Befehlen unmissverständlich wie ein Fürst zu verhalten.
Das Boot wurde zu Wasser gelassen. Tristan wollte gerade von Bord gehen, als die Barone über die Holzstiegen aus dem Schiffsbauch nach oben drängten. Er brüllte sie an, sich wieder nach unten zu verziehen, das sei König Markes Wille und jetzt, in Vertretung, auch der seine, und bevor er nicht selbst wieder das Schiffsdeck betrete, hätten auch sie nichts darauf zu suchen. Würde sich auch nur einer von ihnen an Deck zeigen, würde ihm der Kopf abgeschlagen, damit man ihn von der Küste aus nicht erblicken könne.
Diese Worte, klar und erschreckend, wirkten sofort. Die Barone verzogen sich. Kurze Zeit später wurde Tristan in Richtung der irländischen Küste gerudert.
Auf dem Meer ~230~ Warten
Baron Wessely war der Erste, der aufbegehrte. Beinahe fünf ganze Tage hielten sie sich inzwischen unter Deck auf, die Räume glichen einem Sklavenlager. Sobald einer der Barone versuchte, nach oben an die frische Luft zu gelangen, sah er die Lanzenspitzen der Wachsoldaten auf sich gerichtet, niederländische Forketten mit Widerhaken, wie sie seit einigen Jahren im Krieg verwendet wurden.
Es war noch Wein und Essen für acht weitere Tage vorrätig. Doch die vergangenen erschienen allen wie eine einzige Marter. Immer wieder wurde einer der Barone an Deck gelassen zu einem kurzen Rundgang, um sich die Beine zu vertreten. Die
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