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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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getrennt. Nun würde der Königin Tochter seine ihm zugesprochene Frau werden.
    Als Isôt das hörte, konnte sie nur froh sein, dass Brangaene bei ihr war und sie auffing, da sie beinahe vor Schreck vom Pferd fiel. McWighn war ein so eitler und impertinenter Mensch - diesen Ausdruck kannte sie noch aus Benedictus’ Unterricht -, dass sie sich niemals vorstellen konnte, sich auch nur eine einzige Glasstunde lang mit ihm allein in einem Gemach der Burg aufzuhalten. »Niemals!«, schrie sie Brangaene zu. »Und dazu noch für ein ganzes Leben, das kann ich nicht!« Isot versetzte ihrer Stute heftige Tritte in die Seiten und stürmte davon. Sie jagte an ihrer Mutter vorbei, die sofort die Verfolgung aufnahm. Brangaene ritt den beiden hinterher. McWighn und sein Tross blieben erst ratlos zurück, dann setzten sie ihren Weg zur Küste fort.
    Inzwischen hatte Königin Isolde ihre Tochter eingeholt und rief ihr zu: »Die Boten haben mir gesagt, an welcher Stelle der Drache liegen muss. Folge mir - ein letztes Mal vielleicht!«, sagte sie noch, denn auch dieser Satz war ihr aus ihrem Traum zurückgeblieben. Tränen stiegen in ihr auf, weil sie schon den Schmerz der Trennung von Isôt spürte, bis sie wieder ganz Isolde wurde, die stolze Königin. Sie erreichten das schmale Tal, in dem der Brand besonders schlimm gewütet hatte.
    »Macht euch auf die Suche!«, forderte sie die beiden Frauen auf.
    »Wonach denn?«, rief Isôt zurück, die schon ausgeschert war und umkehren wollte.
    »Ich habe es im Traum gesehen. Ich spüre einen Herzschlag«, war die Antwort, sie klang bereits wie von weit her.
    Herzschlag, dachte Isôt, das war eines der Lieblingswörter ihrer Mutter. Dinge, die sie besonders schätzte, waren nur »einen Herzschlag weit« entfernt, und sie selbst, die Tochter, nannte sie manchmal »meinen Herzschlag«, oder sie strafte sie damit, wenn sie etwas falsch gemacht hatte, indem sie sagte: »Jetzt wird mein Herz gleich nicht mehr schlagen!«
    Isôt sah Brangaene einen Graben hinunterreiten und hörte sie wenig später rufen: »Hier liegt der draghön!«
    Mutter und Tochter wendeten daraufhin sofort ihre Pferde und folgten der Stimme. Schließlich standen sie gemeinsam am Eingang eines Höhlenlochs und blickten auf einen ihnen riesig erscheinenden Körper, der teils behaart, teils nackt war. Sie sahen Tatzen und Klauen, die ausgestreckten Glieder waren mit Schlamm bedeckt, die Haut und das Fell mit Asche überstreut. Es fehlten der Kopf und, wenn es denn ein draghon oder ein Lindwurm gewesen sein sollte, auch der Schweif. Das Wesen war zweifellos tot - aber keine der Frauen, nicht einmal Isolde, wagte es, sich dem Kadaver zu nähern. Sie verharrten mit ihren Blicken auf dem Untier, von dem sie annahmen, dass es mit seinem feurigen Atem den ganzen Wald in Brand gesteckt hatte. In sicherem Abstand beruhigten sie die schnaubenden Rösser und hörten erst jetzt leise Hilferufe.
    »Da ist noch jemand«, rief Isolde, wendete ihr Pferd und folgte ihrem Gehör.
    So fanden sie Tristan und trauten ihren Augen kaum, als sie ihm den Helm von den Schulterklappen losbanden und Tantris wiedererkannten. Er lag inmitten einer Schlammlache, der Kopf reichte kaum über die Wasseroberfläche. Als Isôt und Brangaene ihn daraus hervorzuzerren versuchten, rang er nach Luft, schlug die Augen auf und blickte in die von Isôt. Er sah in sie hinein wie in eine weiße Halle der Sehnsucht und des Glücks.
     
    Drei Frauen ~233~ Ein Wortspiel
     
    Die Frauen schleiften Tristan zu einem Baumstumpf. Sein Atem ging flach, und Isolde befahl den beiden, ihm das lederne Hemd zu öffnen. Die Brust des Jünglings war eigenartig gewölbt, doch als sie die Riemen über dem Rücken aufschnürten, um das Hemd vom Körper zu streifen, und Tristan wieder umdrehten, entdeckten sie plötzlich auf seiner Brust ein blutverschmiertes Stück Fleisch. Aufschreiend traten sie zurück, weil sie glaubten, eine riesige Geschwulst vor sich zu haben, bis Brangaene die zitternde Isôt daraufhinwies, dass das Stück Fleisch mit dem Körper nicht verwachsen sei. Als sie sich Tristan wieder näherten, erkannten sie die Spitze einer blauroten Zunge, die sich bis zu Tantris’ Hals emporzuschlängeln schien. Isolde ritt zu ihnen heran, sah von oben den bleichen Körper des Spielmanns und das auf ihm liegende, ekelerregende Stück Fleisch, fühlte sich erst gleichermaßen davon abgestoßen, ahnte aber, womit sie es zu tun hatten: Es musste die Zunge des Untiers sein, die Tantris

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