Tristan
unter seinem Hemd zum Beweis versteckt hatte, dass er es gewesen war, der den draghön im Kampf getötet hatte. McWighn, dieser verfluchte Lügner!, dachte sie und triumphierte innerlich.
»Zieht dem Mann das Hemd aus und wickelt die Zunge darin ein!«, befahl sie ihrer Tochter und Brangaene, die ihrer Anweisung mit halb geschlossenen Augen und weit von sich gestreckten Händen folgten. »Dann legt den Spielmann auf Isôts Pferd und bindet ihn fest, damit er bei dem Ritt nicht herunterfällt! Verwahrt sein Schwert gut, das er sicher noch brauchen wird.«
Isot setzte sich zu Brangaene aufs Pferd, Isolde ritt voran, und so kamen sie nach einem langen Ritt auf der Burg an.
Tristan, noch immer geschwächt, wurde von Knechten auf einer Trage in ein kleines Gemach gebracht, auf ein Bett gelegt, und der Medicus und ein drui wurden herbeigeholt. Der Medicus verordnete nichts anderes als die Abdunklung des Raumes, viel Lindenblütentee und ausreichend Schlaf. Tristan öffnete bei der Visitation kaum die Augen, sah aber den Druiden in der erhellten Türöffnung stehen und hörte die auf Eruisch gesagten Worte: »Ich rieche etwas!«
Darauf erklang Isoldes erzürnte Stimme: »Du hast uns schon rote Sterne geweissagt - und jetzt einen fremden Geruch? Es wundert doch nicht, dass er stinkt von dem Schlamm, in dem wir ihn gefunden haben. Lassen wir ihn ausschlafen, erst dann soll eine Waschung seines gesamten Körpers erfolgen. Ich will dabei sein, wenn das geschieht. Man benachrichtige mich! Jetzt lasst ihn in Ruhe. Ich werde ihm einen Trank mischen. Isôt, ich brauche Belagüm, Digitalis und Seelenkraut.«
Kaum war Isolde in ihr Gemach zurückgekehrt, begann sie schon mithilfe der Magd, einen Kessel aufs Feuer zu heben. »Lindenblütentee! Warum nicht gleich Gurkenwasser oder, noch besser, einen Krug verdünntes Bier!«, murmelte sie dabei verächtlich und lachte in sich hinein. Da meldete einer der Knechte von der Tür her den Truchsess: Es sei dringend, er ließe sich nicht abweisen.
Isolde ließ sich einen leichten Mantel bringen, der auf dem Rücken die Federn eines Pfaus in all ihren Farben zeigte. Um diese Pracht vorzuführen und weil sie den Truchsess, diesen Trinkbruder ihres Mannes, grundtief verachtete, stellte sie sich mit dem Rücken zum Eingang und breitete die Arme aus wie eine Sonnenanbeterin. Dann erst erlaubte sie den Besuch von Donald McWighn.
Der Truchsess trat durch die geöffnete Tür und erstarrte. Vor sich sah er im Dämmerlicht und dem flackernden Widerschein des Herdfeuers die übergroße Ansicht eines Rad schlagenden Paradiesvogels. Die Augen wollten hin zu den schönen, ineinanderschillernden Farben, der Verstand sagte ihm, dies könne nur ein Trugbild sein. Die Augen wiederum hielten diese Erscheinung für dinglich, was der Verstand beschwichtigend bejahte, indem er McWighn bestätigte, dieses Trugbild sei wahr, aber eben nur als Trugbild. Da der Truchsess selbst eine Lüge als Wahrheit vorbringen wollte, zögerte er in seiner Verwirrung - und während dieses Zögerns ließ Isolde die Arme sinken wie ein Pfau seinen Federbusch, drehte sich um und fragte ihn herablassend nach seinem Anliegen.
»Mei-ne Kö-ni-gin, es geht um Eure Tochter«, brachte McWighn stotternd hervor, senkte dabei den Blick und war froh darüber, denn das Trugbild war wie in ihm selbst verschwunden. »Ich bitte um Isôts Hand! Ich habe den Drachen getötet. Das Land ist… Erui ist befreit!«
Isolde starrte ihren Truchsess an. Seine Kleidung war zusammengestückelt aus verschiedenen Roben ihrer Vasallen, die er möglicherweise ihrer Mäntel beraubt hatte. Er trug ein Paar gleicher Schuhe - immerhin. Alles sonst aber widersprach jeglicher Etikette. Ihr fiel auf, dass die vielfarbigen Kleider ihres Truchsess’ sich nicht sehr von denen der fremdländischen filis unterschieden, die früher in die Erwz’-Welt gekommen waren: Er war ein Scharlatan. Sie blieb bei diesem Ausdruck: iurehodt, und wollte sich nicht davon abbringen lassen. Erui war eine Insel im Weltenmeer, und außerhalb dieser gab es sonst nichts, nur Feinde - das war noch immer ihre Auffassung. Bis diese Mönche gekommen waren, von Roma berichteten, von den Lateinern befremdliche Worte mitbrachten und ihre großsprecherischen Weisheiten von Christus, den Franken, den Sachsen und den Germanen ableiteten. Von alldem wollte sie nichts hören. Um sich in ihrer Abneigung gegenüber diesem Fremdartigen zu bestätigen, war sie schon oft an die Küste geritten, hatte
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