Tristan
hinausgeschaut aufs Meer und gerufen: »Wen soll es denn außer uns noch geben, wen denn? Und wo seid ihr?«
Diese Fragen hatte sie nun halblaut wiederholt. Der Truchsess wusste nicht, was er damit anfangen sollte, machte eine Verbeugung und räusperte sich, um auf seine Anwesenheit hinzuweisen.
Isolde trat aus dem Halbschatten ihres Gemachs hervor und wollte erneut wissen, was sein Anliegen sei.
»Mir ist die Hand deiner Tochter versprochen«, sagte McWighn leise und verlegen, denn er glaubte, sich schon vorher vernehmlich geäußert zu haben.
Nun erst begriff Isolde. »Weswegen?«, fragte sie schroff.
»Ich habe den Drachen getötet.«
»Und das kannst du beweisen?«
»Ich habe den Kopf des Untiers, und meine Mannen holen gerade das ganze Tier aus dem Sumpf!«
»Genügt dir nicht der Kopf? Du willst uns das ganze das Tier zeigen? Willst du es wieder zusammennähen? Wie sieht es denn aus? Hat es Schuppen oder ein Fell. Hat es überhaupt einen Namen?«
Der Truchsess war verunsichert. Mit diesen Fragen hatte er nicht gerechnet, vor allem nicht mit der letzten. Er begann zu überlegen.
»Du kennst ihn also nicht?«, fragte Isolde und hörte zugleich, wie der Sud über dem Feuer zu brodeln begann, fragte sich, wo Brangaene mit den Kräutern blieb, dachte an die Zunge, die sie geborgen hatte, an Tantris und ihren Traum und gab dem Truchsess zu verstehen, er solle sie nun allein lassen, jetzt habe sie Wichtigeres zu tun, und er solle einen Namen finden für das Untier. »Chin wa!«, sagte sie, was in ihrer Sprache so viel hieß: »Ich will dich nicht mehr sehen - hau ab!«
Sie wandte sich dem Feuer zu, der Truchsess verschwand beleidigt und voller Zorn. Wenig später tauchte Brangaene mit den Kräutern auf. Es ging alles seinen Gang. Schon wurde Tristan ein bitterer Trank gereicht, der ihn heilen sollte. Auf seinen Wunden an den Armen und auf der Brust lagen Pflaster mit einem Brei aus Pflanzen, er fiel in einen tiefen Schlaf.
Nach einem Tag der Ruhe erwachte er, fand sich allein in einem niedrigen Zimmer wieder und konnte sich nicht erklären, wo er war. Es musste später Abend sein oder auch Nacht, zwei Öllämpchen brannten. Langsam kam er zu sich, betastete die Pflaster und wollte sie schon entfernen, als ein junger Mann den Raum betrat. »Finley«, sagte er, »ich bin Finley, der Courier und Knecht von Königin Isolde.«
Zu Tristans Erstaunen sprach er Britannisch. Tristan fragte ihn danach.
»Ich bin in Britannien geboren und seit meinem elften Lebensjahr hier auf der Insel«, sagte Finley. »Morolt hat mich hierhergebracht, als er vor vielen Jahren drüben den Zins erhoben hatte. Mein Vater, so hat man mir erzählt, ist der Earl von Connaught. Mehr weiß ich nicht über meine Herkunft. Ich muss der Königin jetzt melden, dass Ihr erwacht seid.«
Mit diesen Worten verschwand er, und wenig später erschien Isolde.
»Tantris«, sagte sie, »was hat dich zurück in unser Land geführt? Wie ergeht es deiner Frau, wie befinden sich deine Kinder?«
»Oh!«, sagte Tristan, fiel auf sein Lager zurück und erinnerte sich, dass ihn einst eine Lüge von dieser Insel fortgebracht hatte und dass er nun erneut lügen musste, um zu überleben. »Oh, es geht ihnen gut!«
»Und warum bist du hierhergekommen?« Isolde sah prächtig aus, ihre dunklen Haare fielen wild gelockt um ihren Kopf, ihre Schultern schmückte ein in allen Farben schillernder Mantel, eine Kette aus purem Gold berührte Tristans Kinn, als sie sich über ihn beugte.
»Die Kinder brauchen etwas zu essen«, stammelte Tristan und schlüpfte in die Rolle des Tantris, »von meinem Gesang allein kann ich sie nicht ernähren, nur Worte und Töne haben noch niemanden am Leben erhalten. Und da hörte ich von der turnei in Eurem Land und was es da zu gewinnen gebe.«
»Von der turne?. Du meinst den Kampf mit dem Drachen? Und meine Tochter wolltest du gewinnen, wo du doch schon ein wib dein Eigen nennst?«
Mit dieser Frage hatte Tristan nicht gerechnet. »Sie ist mir weggelaufen mit einem anderen, nur die Kinder sind mir geblieben.«
»Und wie bist du hierhergelangt?«
»Auf einem Handelsschiff, das in den Süden wollte. Ein Boot brachte mich ans Ufer.«
»Und was hast du dann getan?«
»Ich suchte den Drachen, um ihn zu töten.«
»Und hast du ihn getötet, und womit, mit deinen Worten oder mit deinem Gesang?«
»Mit einer Lanze und meinem Schwert!« Tristan antwortete aufrichtig und sah sich um, wollte nach seinen Waffen schauen, konnte sie aber
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