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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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Erschrocken über sich selbst, richtete er sich auf und rannte, so schnell er konnte, zu seinem Pferd zurück. Doch musste jemand die Anwesenheit des Lauschers bemerkt haben, was nichts Ungewöhnliches zu sein schien, wovor sich die wife aber schützen wollten. Sogleich traten einige von ihnen mit Lichtern aus den Zelten hervor und sahen den Eindringling flüchten. Tristan, schon nah bei seinem Pferd und im Schutz der Büsche, warf einen ängstlichen Blick zurück und erkannte bei einer der Frauen eine Gestalt, die niemand anderer als Courvenal sein konnte.
     
    Motten ~244~ Müssen
     
    Da Tristan kein Schnauben der Pferde, kein Hundegebell und keine Stimmen hörte, die etwas durch die Nacht riefen, bückte er sich tief ins Gras, verhielt sich eine Weile still und schloss die Augen, weil er nicht fassen konnte, was er glaubte gesehen zu haben. Es durfte nicht sein, dass Courvenal dort bei den Frauen war!
    Als sein Herz wieder ruhiger zu schlagen begann, machte er sich erneut auf zu den Zelten. Diesmal stieg er einen Abhang hinab, umging ihn und kroch durch das Gestrüpp von der anderen Seite her wieder hinauf. Es war ihm bewusst, dass er sich auf diese Weise den direkten Fluchtweg abschnitt. Da sich aber hinter ihm dichter Wald auftat, durch den kein Angreifer kommen konnte, fühlte er sich sicherer, weil niemand an dieser Stelle einen Späher vermuten würde. Als er auf der Höhe der Wiese war, erblickte er einige Wächter, junge Knechte. Sie kehrten ihm den Rücken zu und schauten auf das Feuer im Innenhof des Zeltrunds oder in die Dunkelheit des jenseits liegenden Kirschbaumhains.
    Das machte Tristan sicher. Er pirschte näher an das nächstgelegene Zelt heran. Es war von innen erleuchtet, und auf die Stoffwände wurden Schattenbilder geworfen von menschlichen Gestalten, von Frauen und Männern, die miteinander zu ringen schienen. Er musste an die Zeichnungen auf den griechischen Vasen denken, die er in Toledo auf dem Markt gesehen hatte. Aber diese Figuren hier bewegten sich, helles Lachen drang aus dem Zelt, er sah, wie die Figuren sich umschlangen und miteinander vereinigten.
    Sein Herz klopfte wieder wie das eines gehetzten Tieres. Er ahnte, was hinter den Zeltwänden geschah, und sein Leib spürte das Verlangen, sich diesen Bewegungen anzugleichen. Gemeinsam mit Isolde hatte er schon selbst erlebt, was es bedeuten konnte, sich ganz hinzugeben - und es kam ihm, als er die Bilder sah, kein anderer Gedanke als der an Isolde und sich selbst.
    Er musste weg von diesen Täuschungen, die ihn verführen wollten, und schlich an den Zelten entlang in Richtung des Kirschbaumgartens. Er kam dabei auch zu dem Zelt, aus dem er glaubte Courvenals Stimme vernommen zu haben. Längst davon überzeugt, dass seine Sinne ihn getäuscht hatten, wollte er nur wieder zurück zu seinem Pferd, weg von diesem Ort der Verlockungen.
    Da vernahm er plötzlich ein lautes Lachen. Diesmal war es unzweifelhaft das seines Lehrers. Jetzt hörte er ihn auch deutlich durch die Zeltbahn hindurch sprechen. Courvenal sagte Worte auf Französisch, und eine Frauenstimme antwortete ihm in der gleichen Sprache. Von Liebe war die Rede, von Begehren und Verlangen - Tristan verstand jedes Wort und deutete jeden Laut. Du wunderbare Hure, du lästerlicher Mönch, gleich hab ich dich, lass mich nicht los- Tristan hörte all diese Worte. Sie klangen entsetzlich, und zugleich faszinierten sie ihn. Welche Freiheit sprach daraus, sie offen sagen zu können und nicht nur zu denken. Welcher Frevel steckte dahinter, und wie menschlich war er doch!
    Etwas schnürte ihm die Kehle zu. Er war mit dem Herzen bei Courvenal, doch das Blut in seinem Kopf pochte dagegen in einem anderen Rhythmus, wie um die Gefühle abzutöten. Was er gerade erlebte, war etwas Verbotenes und zugleich das Schönste, was man erleben konnte. Es war die Wollust, die die Heilige Schrift verfluchte, auf die der Tod stand und die doch so voller Leben war. Es war das, was man nicht verhindern kann, was aber verhindert werden soll, damit der Mensch nicht zu sich selbst kommt. Es war das Pferd ohne Zügel, wie es sich frei durch die Felder bewegt, noch ungezähmt, nicht zu Diensten, es war das Gegenteil der Zucht.
    Tristan konnte nicht weiterdenken. Im Hain mit den Kirschbäumen entledigte er sich all seiner Kleider, kniete nieder, weinte und freute sich zugleich. Leise lachte er, tastete sich ab, als wäre er verletzt, fand sein Geschlecht und rieb an ihm, bis sein Samen daraus hervorschoss, sein

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