Tristan
»Mehr will ich nicht, ich habe endlich wieder dich.«
»Wie wunderschön, wie fürchterlich«, reimte Tristan, schmiegte sich an sie und bedeckte ihr Ohr mit vorsichtigen Küssen.
Plötzlich war das Rascheln von Kleidern zu hören und gleich darauf Brangaenes zornige, ängstlich verhaltene Stimme: »Was in des Teufels Namen macht Ihr hier? Habt Ihr ganz vergessen, wer Ihr seid? Seid Ihr toll, wollt Ihr den Kopf verlieren?«
Isolde und Tristan erschraken. Erst jetzt sahen sie, dass der Tag längst begonnen hatte, in den kleinen Fenstern des Saales lag Morgenlicht.
»König Marke hat nach Euch gefragt«, sagte Brangaene an Isolde gewandt mit leiser, vorwurfsvoller Stimme. »Ich sagte ihm, man reibe Euch gerade mit einem recht übel riechenden, aber heilsamen Balsam den Rücken ein, weil Ihr dort noch immer Schmerzen hättet von der langen Schifffahrt. Deshalb lässt er Euch nur grüßen und ist ausgeritten zur Jagd, vermerkte aber noch, dass er Euch, Tristan, nirgends gefunden habe, obwohl Ihr ihm versprochen hättet…«
»Sei still!«, unterbrach Tristan die Zofe. Er erschrak zutiefst und erinnerte sich an die Abmachung, mit Marke das Jagdzeug durchzusehen. Schon suchte er nach Erklärungen für sein Versäumnis. Es fiel ihm beim besten Willen nichts ein. Dann stand er plötzlich auf, umarmte Brangaene und rief: »Ich war bei den Rittern vor der Burg, wir haben zu viel getrunken und uns viel erzählt, ich habe gespielt und gesungen und dort bei einem der Ritter ein Lager gefunden - das ist die Erklärung.«
Brangaene stieß ihn sanft zurück. »Keines Eurer Instrumente fehlt in Eurem Gemach, Marke hat nachgesehen, nachdem er Euer Bett unberührt gefunden hat. Kennt Ihr die Namen der Ritter, mit denen Ihr zusammen wart? Er wird sie wissen wollen.«
»Keinen einzigen«, gestand Tristan, »aber du, Brangaene, wirst ein paar für mich herausfinden.«
»Und wenn der König diese Ritter fragt, und sie wissen nichts von Eurer Anwesenheit, was ist dann?«
»Dann werde ich …«, Tristan gingen die Worte aus, er wusste nicht weiter. »Dann steht deren Wort gegen meines, und meines wiegt schwerer. Wenn einer immer noch das Gegenteil behauptet, werde ich ihn herausfordern. Im Kampf wird sich dann die Wahrheit zeigen.«
Die beiden Frauen merkten, dass er begann, sich aufzuspielen. Sie beschwichtigten ihn: So weit werde es nicht kommen, der Anlass sei zu gering, er solle erst einmal sein Lager aufsuchen und sich ausruhen. Das Gleiche empfahl Brangaene auch Isolde. Den beiden sah man ihre Glückseligkeit an, und sie wirkten völlig übermüdet.
Nachdem er sich zurückgezogen hatte, verschlief Tristan den ganzen Tag. Wenn er manchmal kurz erwachte, dachte er nur an Isolde. Die aber, und das konnte er nicht wissen, war nach einer kurzen Ruhepause schon wieder damit beschäftigt, die Dienstleute zu erdulden, die ihr das Hochzeitskleid anpassen und sie auf die Zeremonie vorbereiten wollten. Mit beidem gab es Schwierigkeiten. Der Brautschmuck, den Königin Isolde ihrer Tochter mitgegeben hatte, war bis auf ein paar goldene Ketten äußerst einfach, die Bekleidung bestand aus selbst gewirkten Tüchern und Röcken. Als Marke sie so sah, erschrak er. Das könne man auf dem Markt tragen, bemerkte er und ordnete an, die Truhen zu öffnen, in denen immer noch die Festgewänder seiner Schwester Blancheflur verwahrt wurden. Daraus stellten Helen und die Zofe Genifer für Isolde ein Hochzeitskleid zusammen, das in Glanz und Zierde einer Krönung würdig war.
Als Nächstes musste die Braut in die Zeremonien der Heiligen Messe eingewiesen werden. Sie kannte keines der Gebete, keine der Antworten, die jedes Kind in den Höfen hinter den Ställen hätte nachsprechen können. Isôt zeigte sich sehr eigenwillig und verlangte, dass auch Teile von Ritualen aus ihrer Heimat bei der Vermählung Geltung fänden wie etwa die Blutvereinigung durch Schnitte in die Daumen des Paares. Marke lehnte solches Vorhaben ab und drängte auf progress and procedure, denn es blieben nur noch wenige Tage bis zur Vermählung.
Die Burg war mit Fahnen, Wimpeln und Rosen geschmückt, überall brannten kleine Feuer, und am Hochzeitstag wurden seit den frühen Morgenstunden eine Vielzahl von Speisen zubereitet. Zwei Schiffe aus Irland hatten Anker geworfen, auf einem von ihnen war Gurmûn, der König, angereist. Widerwillig hatte er das Land Markes betreten und angeordnet, dass er gleich nach der Zeremonie wieder nach Erui zurückgebracht werde. Die Verträge
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