Tristan
nicht fähig bin!« Jetzt wandte sie sich ab, weil das Bild, das sie vor sich sah, ihr allzu schrecklich erschien.
Tristan saß neben ihr und fasste sie an den Schultern. »Isolde«, sagte er leise, »was ist mit dir?«
»Kannst du mir zwei Jäger schicken?«
»Ich kenne nur die Jagdmeister.« Tristan konnte nicht ahnen, was sie vorhatte.
Isolde war plötzlich wie umgewandelt. »Ich bin jetzt Königin. Ich muss zurück, Marke erwartet mich. Ich habe ihm gesagt, ich mache einen kurzen Spaziergang. Ach, Liebster«, wandte sie sich plötzlich mit tränennassen Augen an Tristan, »nichts ist so schön wie die Zeichen, die du mir heimlich gibst!« Damit stand sie schnell auf und eilte davon. Tristan blieb ratlos zurück.
Isolde lief nicht zum Haupthaus, sondern zu den Ställen. Dort erkundigte sie sich nach den Knechten, einige Namen wurden ihr genannt. Sie bestellte zwei von ihnen zu ihrem Gemach. Ferris hieß der eine, Randow der andere. Sie standen wenig später in abgerissenen Kleidern verlegen vor ihr. Nachdem sie einen flüchtigen Blick auf sie geworfen hatte, drehte sie ihnen den Rücken zu, wie es ihre Mutter bei den Bediensteten auch immer getan hatte.
»Hört mir gut zu …«, sagte Isolde und erklärte den beiden stockend und hustend, was sie zu tun hätten. »Wenn ihr mir also die Zunge meiner Zofe als Beweis für euren Auftrag bringt«, sagte sie abschließend, würgte die Worte beinahe hervor und erkannte ihre eigene Stimme nicht wieder, »bekommt ihr die Münzen. Wenn nicht, werdet ihr von meinen Rittern erschlagen. Habt ihr das verstanden? Und merkt euch genau die letzten Worte meiner Zofe! Ich will wissen, was sie gesagt hat, Wort für Wort!«
Kräuter ~250~ Die letzten Worte
Als Randow und Ferris Brangaene abholten, um sie in den Wald zu begleiten, l stand die Sonne schon so tief, dass die Zofe ahnte, dass sie vor Einbruch der Dunkelheit die Burg nicht wieder erreichen würden. Die Königin hatte ihr durch Helen den Auftrag geben lassen, einen Kräutertee wie in Erui zu brauen, weil sie unter Kopfschmerzen leide. Da sie sich in der Gegend noch nicht auskenne und es für sie gefährlich werden könnte, hatte sie ihr die beiden Knechte zur Seite gestellt.
Brangaene wunderte sich über diese Anordnung, aber da sie ja von jetzt an von der Königin erteilt wurde, konnte sie nichts dagegen einwenden. Also ritt sie mit den beiden Knechten, die ihr dumm und ungelenk erschienen, zusammen mit drei Wachhunden hinaus zum Wald. Die Kräuter, die sie brauchte, fand sie auch bald am Rand des Waldes, doch die Knechte wiesen sie an, das Ross führend, auf dem sie gesessen hatte, noch tiefer in den Wald einzudringen.
»Das ist nicht nötig«, sagte Brangaene.
»Was nötig ist, bestimmen wir«, sagte der jüngere der Knechte. Brangaene sah ihn an.
»Hier, bei dem großen Baum gibt es sicher noch etwas, was du gebrauchen kannst.«
Brangaene musste lachen: »Was weißt du denn von Kräutern?«
Plötzlich sprang der junge Mann vom Pferd und holte aus der Satteltasche einen Hirschfänger. Die Klinge des langen Jagdmessers blitzte im untergehenden Licht der Sonne.
Brangaene wusste sofort, was die beiden vorhatten. Angst kroch ihr ins Herz. Atemlos stieß sie hervor: »Was wollt ihr von mir? Wollt ihr mich? Dann nehmt mich und lasst mich am Leben!« Da die beiden nicht darauf reagierten, sondern ihr mit ihren Schwertern einen weiteren Schritt entgegentraten, fiel sie auf die Knie. »Ist es wegen der Königin? Wegen ihres Hochzeithemdes? Das muss es sein!« Brangaene schaute zu Boden und sagte ruhig: »Ich habe ihr meins gegeben, weil das ihre so befleckt war. Ich wollte doch nur, dass sie schön aussieht. Wir haben Kleider getauscht, wie Frauen das so machen. Deshalb kann sie doch nicht… högandrui niwiagh!«
Weiter kam sie nicht. Sie schluchzte. Ferris hatte schon das kurze Schwert gehoben, da fiel ihm Randow in den Arm.
»Warte«, sagte er.
Die hündische Zunge ~251~ Die Erlösung
Die letzten beiden Worte retteten Brangaene das Leben. Sie hatte in ihrer Sprache nach ihrem Vater um Beistand gerufen, und Randow hatte diese Worte verstanden. Er stammte aus einer der Sippen Eruis, war auf einem Handelsschiff nach Britannien gekommen und hatte seine Herkunft bis zu diesem Tag verleugnet. Um sich nicht zu verraten, galt er als stumm, aber auch als jemand, der mit Pferden gut umgehen konnte. Er sprach mit wispernder Stimme auf sie ein, in Lauten, die sonst keiner verstand. Deshalb war er
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