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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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Lager. Seine Schweizer Brüder in Einsiedeln, das wusste er, machten einen wundervollen Käse. Wie gern wäre er jetzt bei ihnen. Benedictus hatte Hunger. Niemand auf dieser herrschaftlichen Burg hatte ihm bisher auch nur ein einziges Mal etwas zu essen oder zu trinken angeboten.
    Das war das eine, was sich ändern musste. Das andere, bei dem manche der Barone und päpstlichen Großfürsten ihr Gesicht und ihre Würde verlieren würden, war bereits in Vorbereitung. Benedictus freute sich schon darauf, sie alle an ihrer scheinheiligen Nase herumzuführen, und dachte an Bruder Elmar. »Wir werden uns bald wiedersehen!« - Mit diesem Gedanken schlief er lächelnd ein in der ersten Nacht, die er auf Tintajol verbrachte, sosehr es auch in seinem leeren Magen rumorte.
    Noch vor Sonnenaufgang trieb der Hunger den Mönch aus dem Bett. Er stieß im Haupthaus auf der Suche nach dem Esssaal in einem der Flure mit Isoldes Magd Helen zusammen, die mit frischen Kleidern auf den Armen zur Kemenate der Königin unterwegs war. Hemden und Umhänge fielen zu Boden, der Mönch entschuldigte sich vielmals für seine Ungeschicklichkeit, erklärte sein Hiersein und beklagte, dass so wenig Lampen aufgestellt wären. Helen bestätigte dies und erzählte beim Zusammenklauben der Kleidungsstücke, wie schwierig das Leben am Hofe geworden sei.
    »Du meinst also wirklich«, fragte der Mönch nach, »dass alles auf eine Trennung von Isolde und Marke hinausläuft?«
    »Ich meine? Das weiß doch jeder! Er will es so!«
    »Warum sollte er es wollen?« Benedictus faltete gerade ein Hemd aus besonders feiner Webart zusammen, das seinen fleischigen Händen immer wieder entglitt.
    »Weil er vernarrt war in …« Helen unterbrach sich. Sie wusste, dass ein Mönch kommen sollte aus Irland, und um den musste es sich bei Benedictus wohl handeln. Sie schaute ihm kurz in die Augen. Auch Mönche sind Männer, dachte sie dabei, und diese Augen blickten im Schein des Lämpchens mitfühlend zurück.
    »Vernarrt war in …?«, wiederholte Benedictus seine letzten Worte.
    »In seine eigene Schwester Blancheflur. Wenn es nicht wider die Natur gewesen wäre«, sagte Helen und kniff dabei den Mund zusammen, »hätte er sie geheiratet und mit ihr ein Kind gemacht.«
    »Hat er aber nicht.«
    »Nein, weil das nicht sein kann. Und dann kam Riwalin.«
    »Wer ist Riwalin?«
    »Weißt du das nicht?«
    Benedictus und Helen legten die restlichen Kleider zusammen. Dann setzten sie sich in eine der Nischen, und Helen erzählte dem Mönch die Geschichte der Eltern Tristans, soweit sie sie kannte. Für Benedictus war das eine wundervolle Stunde, in der die Sonne aufging. Die Magd und er rückten immer näher zusammen, und schließlich waren sie so eng beieinander im Geiste, dass Benedictus ihr das Geheimnis von Tantris, dem Spielmann, preisgab.
    »Tristan - Tantris!« Helen war erstaunt. »Das passt zusammen. So war er immer. Eine zwiefache Person. Deshalb verehren wir ihn alle. Er ist mächtig und sinnlich, er singt Lieder und kennt sich in allem aus. - Was denkst du, warum unsere Burganlagen so gut ausgebaut werden? Warum geheime Gänge geplant sind für Frauen und Kinder? Wem haben wir das alles zu verdanken? Tristan! Und die umliegenden Gehöfte - was hat er nicht alles für uns getan. Den Bauern riet er, neue Nutzpflanzen anzubauen, den Schäfern, ihre Herden klein zu halten, damit Krankheiten nicht so schnell übergreifen. Den Jägern befahl er, das Wild zu beobachten und erst dann eine Auswahl zu treffen. Niemand hatte vor ihm jemals daran gedacht.«
    Helen kam ins Schwärmen. Benedictus hatte längst verstanden. »Du musst jetzt zu deiner Königin«, sagte er.
    »Ach die!« Helen schlug die Augen nach oben. »Die würde am liebsten bis Mittag schlafen.«
    »Wie ihre Mutter«, sagte Benedictus vor sich hin.
    »Aber du hast recht, Bruder«, unterbrach Helen seine Erinnerung und raffte ihre Röcke zusammen. »Ich muss zur Königin.«
    »Nicht so eilig.« Benedictus zurrte seine Kutte zurecht. »Ich begleite dich. Ich habe einen Pass, hier, schau her!«
    Helen wollte das Schreiben gar nicht sehen. »Na, dann komm«, sagte sie lachend. »Isolde wird sich freuen. Wieder mal ein Mann in ihrer Kemenate, wenn es auch kein Tantris ist!«
    Benedictus protestierte. Im besten Einverständnis traten die beiden in das Schlafgemach ein und wurden von Isolde schreiend empfangen, mit aufgelösten Haaren, sie wünsche niemanden zu sehen, niemanden!
     
    Die Unleidliche ~277~ Die

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