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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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weit. Der Pilger: Innerlich sei er seinem Ziel schon ganz nahe. Benedictus ließ ihn an Bord kommen, wies ihm eine Ecke zu, wo er sich hinhocken sollte, und das Boot legte ab.
    Kurz danach erreichte der königliche Tross den Hafen. Von Weitem konnte man mitansehen, wie König Marke und seine Gemahlin samt Gefolge einen Zweisegler bestiegen. Da drängte Benedictus seine Schiffsleute zu schnellerer Fahrt. Als Vertreter des Königreichs Erui musste er früher am Ort des concilium sein als die Beschuldigte. Der Auftrag war eindeutig.
     
    Der Pilger ~279~ Die Glut
     
    Benedictus hatte ein solches concilium noch nie zuvor erlebt, immer nur davon gehört. Da er nun selbst als Vertreter des Königreichs Erui, das in Britannien alle nur Irland nannten, unter den Vorgeladenen stand, war er äußerst erstaunt über den Prunk, mit dem es begangen wurde.
    Nach dem, was er in Erfahrung gebracht hatte, ging es wohl darum, sich mit Gottes Hilfe einer Fürstentochter aus fremden Landen zu entledigen, um den Lehnsanspruch aufrechtzuerhalten, der durch die Heirat ursprünglich geschaffen, durch das Benehmen der Angeheirateten aber in Zweifel gezogen worden war. König Marke hätte so über die Abgaben Irlands weiterhin verfügen können, ohne König Gurmûn gegenüber wortbrüchig geworden zu sein. Wäre ihm jedoch seine Königin abtrünnig geworden, verfügte er über doppeltes moralisches Recht. Es gäbe keine Übereinkommen mehr, nur noch Abhängigkeiten. Gurmûn könnte zwar noch auf seiner Insel schalten und walten, wie er wollte, seine Abgaben aber würden unter Aufsicht der englischen Oberhoheit gestellt. Immer mehr britannische Soldaten kämen in sein Reich, würden Zinsbereiche festlegen, Karten erstellen, Streitigkeiten unter Nachbarn schlichten und Gesetze verkünden, die von den Untertanen Sollschuld forderten. Die wenigsten der Eruis wussten, was sie sich darunter vorzustellen hatten. Man würde ihnen Tafeln mit Zeichen vorlegen, die sie nie zuvor gesehen hatten. Man nähme ihnen eine Ziege weg und sagte, das sei der »Zins«. Auch Bergleute, die Erz förderten, würden mit »Zins« belegt. Getreide wäre plötzlich nicht mehr nur Getreide, sondern »Zins«, der darauf erhoben wurde. Dem Anschein nach regelte also das concilium das Wohlergehen aller, um in Wahrheit Fürstentum und Kirche die Einnahmen zu sichern.
    Benedictus war sich nicht sicher, ob er nicht das eine oder andere durcheinanderbrachte, da er sich bislang nie um solche Angelegenheiten gekümmert, sondern immer nur durch die Gunst des Königshauses gelebt hatte. Er glaubte, zumindest so viel zu verstehen, dass Isôts Kopf geopfert werden sollte, um dem Königreich Britannien freien Zugang zur Nachbarinsel zu verschaffen. Marke verstand die Demütigung, die er durch Tristan und Isolde erfuhr, als große persönliche Schmach. Seinen Baronen ging es nur darum, ihre Macht zu stärken. Sie nutzten die Gelegenheit, sich mit ihren Einnahmen und Gottes Hilfe einen neuen Hafen bauen zu können. Die Handelsrouten zwischen Norden und Süden verliefen über Erui, der Viehbestand der Insel war beträchtlich.
    Solche Absprachen fanden hinter Markes Rücken statt. Indem er Isolde des Ehebruchs beschuldigte, wollte er nichts anderes als seine Lauterkeit beweisen und vergessen machen, dass er zur Liebe nicht fähig schien. Nicht ein einziges Mal bekam er während der Schifffahrt nach Caerleon Isolde zu Gesicht. Nur Genifer durfte in ihrer Nähe sein. Brangaene hatte ebenso wie Helen auf Tintajol bleiben müssen.
    Die Häfen Seaford und Caerleon waren eine halbe Tagesfahrt voneinander entfernt. Marke hatte den Weg per Schiff gewählt, weil er dadurch lange Ritte durch Wälder vermeiden konnte, die oft von Wegelagerern heimgesucht wurden. Und der König war zufrieden mit seiner Entscheidung. Die Winde standen gut, bereits am frühen Nachmittag kamen sie in Caerleon an. Ein wenig erstaunte war er, im Hafen schon das eruische Schiff vor Anker liegen zu sehen. »Was machen die hier?«, fragte er unwirsch den Bootsführer, erhielt aber nur ein Achselzucken zur Antwort.
    Beiboote wurden von Land her zum Schiff gewunken. Zwei legten an. In das erste setzte sich Marke zusammen mit zwei Rittern, im zweiten nahmen Genifer und Isolde Platz.
    Markes Boot erreichte als erstes den Strand. Er stieg über den Bootsrand, watete ein paar Schritte durchs Wasser, die Ritter folgten ihm. Mit triefenden Hosen dastehend, verlangte er, dass ihm Isolde und die Zofe in gleicher Weise folgten. Genifer

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