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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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wollte sie nicht anfassen. Wenn wirklich gelang, was er sich vorstellte, würde er Gott betrügen, den Bischof und all die hohen Herren überlisten - und sogar sich selbst. Und wer von dem Betrug wüsste, könnte an Gott nicht mehr glauben! Was bliebe noch übrig im Leben. Was für ein Jenseits?
    Ein Bier würde ich jetzt gern trinken, dachte er und schmeckte es auf der Zunge.
    Währenddessen näherte sich das Schiff dem Hafen Seaford. Benedictus stand am Bug, als es anlegte. Unter seiner Kutte hatte er die Schachtel mit den Handschuhen versteckt. Er freute sich darauf, Isôt wiederzusehen, er sehnte sich danach. Dann kam ihm das Bild von den Schafen und Ziegen in Elmars Klosterhof in Erinnerung, und er musste in sich hineinlachen. Eben hatte er für sich einen Entschluss gefasst: Er würde sie wiedersehen, ja, er würde sie wiedersehen!

Neunzehntes Buch
     
    VERBANNUNG DER SCHMERZEN
     
    Kapitel 275-287
     
    Wiederbegegnung ~275~ Abfuhr
     
    Isolde hörte schon bald davon, dass der Mönch aus Erui angekommen sei. Als kleines Mädchen hatte sie diesen Mönch immer als eine Gestalt wahrgenommen, die sie einschüchterte: die weite Kutte, die ihm bis zu den Füßen reichte, Füße, die auch im Winter nur in einem notdürftig verschnürten Geflecht aus Sohle und Lederstriemen steckten. Mit Brangaene zusammen war sie einige Male im Kloster gewesen, doch das waren nur Höhlen, in die düstere Abgänge hineinführten, vor denen sie sich fürchtete. Ab und zu war Benedictus auch Gast bei der Königin gewesen. Ihm wurde dann ein Becher Bier gebracht, das er so liebte. Die Beichte hatte er ihr nie abgenommen, weil ihre Mutter das für überflüssig hielt. Sie wusste nur, dass das Eingeständnis von verwerflichen Taten für die Christgläubigen wichtig war, um später einmal im Himmel aufgenommen zu werden. Ihre Mutter hielt auch davon nichts. »Am Himmel scheint die Sonne«, sagte sie, »wir sind die Schatten, die wir werfen, wenn ihr Licht uns trifft. Sind wir erst unter der Erde oder zu Asche verbrannt, leben wir höchstens im Andenken oder in Legenden fort, bis diese ebenfalls verblassen.«
    Die Ankunft Benedictus’ bedeutete für Isolde aber auch, dass ihre Mutter sie nicht vergessen hatte. Da stets eine Zofe zugegen war, der Isolde aber nicht traute, wollte sie ihm gleich bei der ersten Begegnung zu verstehen geben, dass er sich mit seinen Äußerungen zurückhalten sollte: Sie würde sich mit den Händen hinter ihre Ohren fahren und sie nach vorn stülpen. Benedictus wüsste dann sofort Bescheid, davon war sie überzeugt. Um allen zu zeigen, weswegen sie den Mönch angefordert hatte, suchte sie sämtliche Bibeln und Gebetbücher zusammen, die sich in ihrer Kemenate befanden, und legte sie auf einen Tisch. Nun konnte sie nur noch warten.
    Marke war der Erste, der den Mönch empfing. Der richtete Grüße seines Königs und seiner Königin aus, legte persönliche Schreiben vor und fragte, nachdem Marke die Pergamentblätter mit einem kurzen Blick gestreift hatte, ob es denn wirklich nötig gewesen sei, ein heiliges Konzil einzuberufen und die Königin durch ein Gottesurteil prüfen zu lassen.
    »Ihr wisst, was das bedeutet«, sagte Benedictus frei heraus, denn er hatte nichts zu verlieren. »Jeder, der schon einmal, ob als Kind oder Mann, etwas Glühendes angefasst hat, wurde davon verbrannt. Das liegt in der Natur der Dinge. Kann man daraus gleich ein Urteil über eine Person ableiten? Oder glaubt Ihr, die schöne Isolde stamme von der Sippschaft der Teufel ab, die im Fegefeuer umhergehen wie wir bei Wind und Wetter? Der Mann dazu müsste dann Luzifer heißen und ein gefallener Engel sein.«
    Marke wollte erst den Mönch wegen solch lästerlicher Reden wegschicken, beherrschte sich aber. Wes Geistes er sei, fragte er allerdings, und ob er nicht als Mönch die päpstlichen Dikten vertrete? Es gehe schließlich um heiliges römisches Recht, das nicht er, sondern der Papst und das concilium festlegten. Er habe nur seine königliche Pflicht erfüllt. Ein Reich ohne Gewissheit sei wie ein Recht ohne Reich.
    »Weise Worte!«, sagte Benedictus und verbeugte sich. »Auch wenn ich sie nicht verstehe - vielleicht sogar deshalb«, fügte er hinzu, machte erneut einen Diener und ging auf Empfehlung Markes zur Klärung aller weiteren Vorgehensweisen zu Marjodô, dem Truchsess. Er fand ihn im Refektorium im Kreis einiger Hauptmänner und Baumeister.
    Marjodô war äußerst erstaunt über das Auftauchen des Mönchs. Der berichtete ihm

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