Tristan
Leuchtfeuer anzusteuern, das von einem Turm herabschien.
Seit Vidal de Murranio einige Tage zuvor mit der Nachricht angelangt war, Riwalin werde zurückkommen, hatte Rual Befehl gegeben, des Nachts die Feuer zu verstärken. Wachen waren aufgestellt, Boten hielten auf den Hafenmauern Ausschau, um Riwalins Ankunft sofort zu melden. Einer von ihnen war Yella, ein junger, untersetzter Bretone. Er sah die Beneventa, Riwalins Schiff, als Erster, eilte zu seinem Pferd und ritt durch den peitschenden Regen zu Ruals Lager.
Sogleich ließ der Marschall sein Gefolge benachrichtigen, und kurz bevor das Boot am Pier anlegte, konnte er unten am Hafen seine Leute anweisen, wie sie sich zu verhalten hatten. Vor allem ging es darum, die Bewohner des Hafenortes, nachdem sich die Nachricht von der Rückkehr Riwalins wie ein Lauffeuer verbreitet hatte, zu beschwichtigen. Wie auf ein Zeichen hin hörte zwar plötzlich der Regen auf, aber von überall her aus den Gassen kam uneingeschüchtert das Volk, ein Fackelzug entstand, Rufe nach dem König ertönten, Freudenschreie wurden laut, unterbrochen von den Befehlen der Reiter, Abstand zur Landestelle zu halten.
Jetzt erblickte Rual seinen König und Freund an Deck des Schiffes, er sah ihn winken, und neben ihm erschien eine Person mit einem hellen Schal um den Kopf, eine Frau. Rual erschrak. Seine ausgestreckte Hand sank wie von selbst, und er murmelte: »Wer ist das?« Nun begriff er, warum Riwalin zusätzlich zu einem Kartenzimmer für Lagebesprechungen die Einrichtung eines Gemachs im Südflügel angeordnet hatte, mit einer Bettstatt, wie sie »einer Königin zustehen« würde. Vidal hatte zwar erwähnt, auf Tintajol gehört zu haben, Riwalin sei beliebt bei den frowe und serviantes, aber dieser Hinweis war Rual wie selbstverständlich erschienen. Die Anweisung »Lager wie für eine Königin« hatte er sich allerdings nicht erklären können.
Sein Herz schlug noch heftiger, weil sich in die Freude über die Rückkehr des Königs ängstliche Unruhe mischte, wen er aus Britannien mitbrachte. Natürlich hatte er auch nicht bedacht, eine Sänfte zu bestellen, um eine Frau zur Burg zu bringen. Rastlos ging er ein paar Schritte auf und ab, als er Vidal bei den Reitern erblickte. Er winkte ihn zu sich. »Wer ist die Frau?«, fragte er ihn in scharfem Ton.
»Woher soll ich das wissen, mein Herr?«, antwortete ihm der Mauretanier. »Aber gleich werden wir schlauer sein - eben hilft ihr der König an Land.«
Rual achtete nicht auf den frechen Unterton seines Untergebenen. Er drehte sich um und sah, wie Riwalin über die ans Schiff angelegte Holzbrücke die vermummte Gestalt ans Gestade führte. Rual lief ihnen entgegen, kniete nieder und wartete mit gesenktem Haupt, bis sein König an ihn herantrat.
»Steh auf, Rual, um Himmels willen, steh auf und komm in meine Arme!«, hörte er Riwalin sagen.
Rual erhob sich, Riwalin presste den Freund an sich und flüsterte ihm liebevoll ein paar Worte der Begrüßung ins Ohr, wie sehr er ihn vermisst habe, und dann fiel ein Name: »Blancheflur«. Da öffnete Rual seine Augen und sah in das von dem Schleier halb verborgene Gesicht der Frau, die direkt hinter Riwalin stand. »Wahrhaftig eine Königin«, stammelte er, denn selbst das Wenige, was er von Blancheflur erkennen konnte, schien ihm so rein und schön, dass er nur diese Worte dafür fand.
Riwalin hingegen lachte auf. »Noch nicht ganz«, sagte er zu Rual und drückte ihn nochmals fest an sich.
Furchterregende Nachrichten ~ 54 ~ Blancheflurs Zofen
Mit Riwalins Ankunft in Conoêl kamen zugleich furchterregende Nachrichten aus den südwestlichen Ländereien Parmeniens. Boten schilderten, Morgans Truppen würden wie besessen alles niederstechen, was ihnen in die Quere kam. Die Siedlungen gingen in Flammen auf, das Vieh wurde weggetrieben. Die Burg Conoêl glich bald einem Flüchtlingslager.
Rual hatte gar keine Gelegenheit, Blancheflur kennenzulernen, nur ihre liebreizende Erscheinung konnte er bewundern. Ständig war er im Kartenzimmer, um gemeinsam mit Riwalin und den Hauptmännern Pläne zu entwerfen, wo man sich Morgan entgegenstellen könnte. Riwalin war ganze Tage unterwegs, um ein kleines Heer zusammenzurufen. Blancheflur überließ er während dieser Zeit Floräte, die schon bald herausbekommen hatte, dass Markes Schwester ein Kind unter ihrem Herzen trug.
»Ich weiß es«, sagte sie eines Tages zu Blancheflur.
»Was weißt du?«
»Du bist guter Hoffnung.«
»Woher weißt du
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