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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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der Öffentlichkeit zu zeigen. Marke wusste es stets zu verhindern, dass sie sich nachts oder an geheimen Orten treffen konnten. Bis dann Riwalin bei einer der blutigen Fehden mit Gurmûn, dem König von Irland, Markes erbittertstem Feind, von einer Lanze ins Bein getroffen und auf den Tod erkrankt nach Tintajol gebracht wurde. Riwalin lag im Fieber, und Blancheflur hatte Angst um den, den sie über alles liebte.
    Verkleidet als alte Heilerin, geschminkt mit Asche, die ihr Gesicht grau und fahl aussehen ließ, mit einem Korb voller Kräuter und Tinkturen unterm Arm verschaffte sie sich Zugang zu Riwalins streng bewachtem Gemach. Weil sie behauptete, nur fähig zu sein, den Körper des Kranken zu heilen, wenn sie ihn ohne Aufsicht und die Gegenwart von anderen beschwören könnte, gelang es ihr in einer Vollmondnacht, mit Riwalin allein zu sein. Sie wusch als Erstes ihr Gesicht und entdeckte sich dem Parmenier, der noch halb im Fieber an eine Erscheinung glaubte. Doch dann gaben sich die beiden einander hin, und Blancheflur empfing in dieser Nacht ihr erstes und einziges Kind.
    Am Morgen verließ sie das Lager des Geliebten, und wie durch ein Wunder begann Riwalin zu genesen. Marke hörte davon, war hocherfreut und drang auf seine Schwester ein, sie solle ihm die Alte vorführen, die dieses Wunder durch ihre Arzneien vollbracht hatte. Aber Blancheflur konnte ihm nur unter Tränen mitteilen, dass es wohl eine Heilerin aus den Wäldern gewesen sein müsse, von der sie nichts als den Namen wisse.
    »Und, wie heißt sie?«, fragte Marke heftig.
    »Akelei«, antwortete Blancheflur.
    »Akelei!«, rief König Marke seinen Dienern und Boten zu. »Sucht mir diese Frau im ganzen Land!« Er setzte eine hohe Belohnung aus für den, der sie finden und an den Hof bringen würde.
    Als der Knappe Kilian, der zum Höfling aufgestiegen war, davon hörte, meldete er sich beim König und verriet ihm unter vier Augen, diese »Akelei« sei niemand anderes als des Königs eigene Schwester. Daraufhin soll Marke, so hat es ein Schreiber am Hof von Tintajol festgehalten, »voll des Zorns gewesen sein«.
     
    Vidal de Murranio ~51~ Riwlin, der Normanne
     
    Der Knappe Kilian ward von da an von niemandem mehr gesehen. Seine Geschichte endet hier.
    Als Rual diese beiden Sätze in das Buch seiner Aufzeichnungen schrieb, wo er seine Gespräche mit Riwalin festhielt, konnte er nicht ahnen, dass er damit zugleich den Beginn der Geschichte notierte, die mit dem Tod seines geliebten Herrn enden und mit der Geburt Tristans einen neuen Anfang nehmen würde. Denn er selbst, Rual, war es gewesen, der drei Schiffe losschickte, um Riwalin, den König Parmeniens, zu suchen und ihn aufzufordern, in sein Land zurückzukehren. Fürst Morgan war mit mehreren Rotten gleichzeitig von der Bretagne aus ins parmenische Land eingefallen, ließ plündern und rauben, wie es ihm gefiel.
    Einer der Waldläufer Ruals, die ausgewählt worden waren, Riwalin zu suchen, hieß Vidal de Murranio. Er war ein Getreuer, stammte aus Mauretanien und hatte sich als zuverlässiger Kundschafter erwiesen. Er war sein Geld wert, hatte Rual in das Buch geschrieben.
    Vidal landete an der Küste Cornwalls und schickte zwei Knappen aus, die des Britannischen mächtig waren. So erfuhr er bald von einem »Riwlin«, der an König Markes Hof eine besondere Stellung innehabe. Es hieß, der »Norman« reite »die Fehden aus«, die zwischen Markes Fürsten und dem Königshaus bestehen, und »geht immer erfolgreich daraus hervor«. Außerdem hieß es, »Riwlin« hätte schon so manches Ross getötet, »bevor der Ritter darüber zu Fall kam«. Zudem munkelte man, »Riwlin, der Herre, sei gebunden durch liebesmuot«.
    Vidal verstand diese Botschaften nicht, ahnte aber, dass es sich bei »Riwlin« um Riwalin handeln musste. Und indem er nach diesem Ritter fragte, führte ihn sein Weg nach Tintajol. Dort traf er ihn auch an: bei einer ritterlichen Übung im Burghof. Weil ihm der Marschall von Conoêl Lohn erst dann versprochen hatte, wenn er Riwalin heil in seine Heimat zurückgebracht hätte, und zugleich wusste, dass der Parmenier sein Volk niemals im Stich lassen würde, ging er ohne Zögern auf ihn zu und sagte vor allen Umstehenden, warum er gekommen war.
    Als Riwalin von der Not seines Volkes hörte und die Flehschrift Ruals sah mit dem Siegel seines Reichs, musste er nicht lange nachdenken. Er befahl dem Mauretanien nach Conoêl zurückzukehren und anzukündigen, dass er selbst in wenigen Tagen

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