Tristan
entsetzt auf, denn an dem Stoff klebte geronnenes Blut.
Riwalin reagierte voller Zorn und wollte Yella von den Wachen hinauswerfen lassen, als sich der junge Mann auf die mit Stroh bedeckten rauen Fliesen kniete und jammerte, wenn er nicht den wertvollsten Teil des Geschenks sofort wieder Morgan zurückbringe, werde dem Recken der Kopf abgeschlagen - und dem anderen auch. Riwalin verstand nicht, was ihm der Knappe da mitteilte, und befahl erneut, ihn aus dem Saal zu entfernen. Da begann Yella zu schreien und verlangte vom König, dass er »dieses Ding da«, wie er meinte, aus den Tüchern wickeln solle. Riwalin stand wütend auf und wandte sich an die Wachen, wie sie es sich erlauben könnten, sich seinen Anweisungen zu widersetzen.
In diesem Augenblick schritt Rual ein. Er kannte den Reiter Frin schon seit vielen Jahren. Er war ein äußerst loyaler Soldat und bei den Mannen beliebt. Deshalb befahl Rual, man solle ihm das verschnürte Päckchen bringen. Er schob die Teller und Schüsseln vor sich beiseite, nahm seinen Dolch, schnitt die Schnüre durch und riss die Tücher auseinander. Zum Vorschein kam eine abgetrennte blutverschmierte Hand. Die Frauen am Tisch schrien auf. Riwalin stemmte sich gegen den Tisch und fragte kalt und gedehnt: »Wessen - Hand - ist - das?«
»Die von Vidal de Murranio«, stammelte Yella, der wie ein bettelnder Hund auf dem Boden lag.
Rual schnürte es die Kehle zu. Vidal, der ihm nicht nur gute Dienste geleistet, sondern ihm und dem ganzen Land auch den König zurückgebracht hatte, war in den Fängen Morgans. »Lebt er noch?«, fragte er.
»Ich weiß es nicht, Herr.«
»Und was will Morgan zurückhaben?«
»Den Ring, mein König.«
»Das ist nicht Vidals Ring. Wie sollte ein Landläufer einen Ring tragen. Das ist der Ring Morgans!«
Ich habe, schrieb Rual später in sein Buch, in meinem bisherigen Leben nie wieder etwas so Entsetzliches tun müssen. Meine Finger, die noch Augenblicke zuvor den Schlegel einer mit Honig und Fett im Kessel geschmorten Wildente hielten, mussten nun die abgeschlagene Hand eines treuen Dienstmanns ergreifen und von dem bis auf die Knochen abgeschürften mittleren Finger den Ring herunterzerren, einen Klumpen aus Gold und Blut, besetzt mit einem Edelstein, der dunkelgrün leuchtete. Ohne es zu wollen, fügte Rual hinzu, begann ich, den Ring mit meinen eigenen Händen zu säubern.
Als er den Ring vom Schmutz befreite, war Rual so in Gedanken versunken, dass er nicht merkte, wie alle um ihn herum stumm zusahen. Selbst wenn Vidal de Murranio noch am Leben sein sollte, wäre er für immer verstümmelt, ging es ihm durch den Kopf. Er hob den Ring gegen das Licht eines der kleinen Fenster des Gemachs und ließ sein Gold darin glänzen.
»Vielleicht ist ja wenigstens Frin noch zu retten«, sagte er leise und verhielt sich, als wäre er noch immer der Vertreter des Fürsten von Parmenien. »Hier, nimm den Ring und bring ihn, so schnell du kannst, dem Schlächter Morgan zurück!«, wandte er sich an Yella, streifte Riwalin, der ihm zunickte, mit einem Blick und warf das Kleinod direkt in Yellas geöffnete Hände. »Und sag ihm, wir würden uns das Geschenk bald wiederholen.«
Als der Bote den Raum verlassen hatte, wollte Riwalin mit Rual und seinen Gefolgsleuten allein gelassen werden. Die Frauen zogen sich zurück. Riwalin ließ sich Wein nachschenken. Er war verzweifelt und wurde zugleich übermütig. Nach dem nächsten vollen Mond, beschloss er, wollte er gegen Morgans Truppen antreten. Rual versuchte, ihn zu beschwichtigen, das sei viel zu früh, zwei, drei Monate müssten sie noch warten, bis sie genug Reiter beisammenhätten. Er stehe mit den Franken in Verhandlung, die einen Teil ihrer Kräfte abgeben wollten, bevor sie für den nächsten Kreuzzug aufgestellt wurden. Doch diese Truppen seien über siebzig Landmeilen entfernt und verlangten dänische Münzen im Voraus, die aber erst herbeigeschafft werden müssten. Das alles brauche Zeit.
»Wir haben keine Zeit!«, brüllte Riwalin, stand auf, musste sich am Tisch festhalten, wies die Hilfe seiner Ritter zurück und verabschiedete sie.
Als er und Rual allein waren, sagte er: »Ich werde Morgan töten, bevor mein Sohn das Licht der Welt erblickt. Die Sonne soll er sehen und grüne Felder, nicht Blut und abgeschnittene Hände, wenn er zum ersten Mal die Augen öffnet.«
Diesen Satz notierte Rual in sein Buch. Er hatte dabei Tränen in den Augen, wie auch jetzt, da er die Zeilen wieder las. Etwas mehr
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