Tristan
verletzt. Bei einem Angriff der Welschen sei das geschehen, ließ Geiwan verbreiten. Und in der linken Hand hielt er die Lanze. Er ritt Pferde, die man Sire nannte. Sie waren größer und stämmiger als die üblichen Turnierrösser, aber auch schwerfälliger. Riwalin hatte gehört, dass die Nachricht ging, er, der Parmenier, habe sich gegenüber dem namenlosen Reiter unritterlich verhalten und seine Lanze gegen dessen Pferd gerichtet. Sein Sieg sei unverdient.
Dann werdet ihr mich kennenlernen, dachte Riwalin. Er befahl Bodan, ihm seine Waffen zu bringen. Es interessierte ihn auch nicht, wie die Sonne stand und ob es Vor- oder Nachteile gab, von der einen oder anderen Seite zu starten. Kämpfen würde er, mehr nicht und nicht weniger. Alle seine Gefolgsleute sollten sich auf dem Turnierfeld versammeln und die Fahnen und Wappenbilder Parmeniens in den Himmel halten, wenn er gegen Geiwan anritt. Durch Bodan ließ er König Marke die Botschaft übermitteln, er wäre gewillt, seinen Gegner dieses Mal nicht zu verschonen, und dass er für sich selbst das Gleiche erwarte. Niemand solle sterben, wenn es nicht unglücklicherweise geschehe, doch es solle sich auch niemand davonschleichen können.
Die Wendigkeit ~49~ Der Sieg
Die Aufregung um den Brand im Zeltlager hinter dem Kirschgarten hatte den Ablauf der Turnierspiele verzögert. So kam es, dass Geiwan und Riwalin aufeinandertrafen, als bereits die ersten Fackeln angezündet wurden. Genauso wie der namenlose Ritter war auch Geiwan Riwalin an Körpergröße überlegen. Wieder waren die Rösser ungleich, und Riwalin stand nur noch eine von Findennischs überlangen Lanzen zur Verfügung, die aber schon beim ersten Touchieren zersplitterte.
Keinem der Reiter war etwas geschehen, jeder hatte den Stoß des anderen ausgehalten, aber nun, beim zweiten Anritt, war das Ungleichgewicht zwischen ihnen sogar von der Tribüne aus deutlich zu bemerken. Riwalin ritt beinahe zögerlich an der Barriere entlang, wich der Lanze Geiwans aus, was ihm von den Zuschauern als Feigheit ausgelegt wurde. Als er, begleitet von Schmährufen, bei Bodan ankam und sich innerlich auf den nächsten Parcours vorbereitete, verhielt er sein Pferd für einige Augenblicke, bis er ihm mit den Absätzen seiner Stiefel in die Flanken trat, zügelte aber plötzlich den Galopp, als er mit Geiwan auf gleicher Höhe war. Er riss an der Mähne seines Pferdes, es bäumte sich auf, Riwalin wurde nach hinten geworfen, seine Lanze ruderte durch die Luft, als brauchte er sie, um das Gleichgewicht zu halten, doch dann ließ er sie nach unten fahren wie ein Schwert, warf seinen Oberkörper nach vorn und stach zu. Er traf Geiwan am rechten Oberarm und fügte ihm dort eine tiefe Wunde zu.
Geiwan schrie auf, nicht vor Schmerz, sondern aus Wut. Beide Reiter preschten zu den Stallungen, wechselten die Lanzen und waren schon wieder auf dem Rückweg zum Kampfplatz. Riwalin hatte sein Pferd angetrieben, als ginge es um Leben und Tod, war schon längst über die Mitte des Parcours hinaus und traf Geiwan ein zweites Mal, während der noch dabei war, die Lanze in Stellung zu bringen. Riwalins Holz zersplitterte am Brustpanzer des Gegners. Beinahe verlor Geiwan durch die Heftigkeit des Stoßes den Halt und ritt an der Barriere weiter, ohne sein Pferd im Zaum halten zu können.
Da war Riwalin schon wieder bei den Stallungen angekommen, wendete, galoppierte mit neuer Waffe aufs Feld hinaus und erwartete den heranstürmenden Geiwan in fast ruhiger Position, setzte seinen Stoß genau an und schleuderte Markes Reiter vom Rücken seines Pferdes.
Riwalins Triumph ~50~ Blancheflurs Nähe
Riwalins Triumph war ohnegleichen. Er hatte den besten Ritter Cornwalls besiegt. Geiwan gab auf, warf sein Schwert von sich und floh.
Noch am selben Abend mussten Riwalins Mannen die Zelte abbrechen. Sie zogen mit allen Utensilien hinauf in das Gemäuer der Burg. Riwalin bekam ein eigenes Gemach zugewiesen. Fortan war er Markes Gast, und als der Winter vorbei war, gehörte er zu seinen Gefolgsleuten. Er begleitete ihn auf die Jagden, ritt mit ihm in die Siedlungen der Untertanen und mehrte den guten Ruf seines Herrn bei der gerechten Schlichtung von Fehden und Urteilen über Grenzen und Abgaben, über Änderungen in den Gesetzen und Einsetzungen von Rittern in ihre Grafschaften.
Beinahe täglich kam Riwalin auch mit Blancheflur zusammen. Sie liebten einander immer mehr, hielten sich aber an die wie vereinbarte Regel, diese Liebe nie in
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