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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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vorgelassen wurden, kamen auch keine Fragen mehr nach den Zofen. Blancheflur gab sich mit Florätes Worten zufrieden, sie habe die beiden zu ihren Familien geschickt und sie vorher einen Eid schwören lassen.
    Da die Wölbung ihres Leibes immer mehr zunahm, lebte die Königin abgeschirmt von allem publicum im Südflügel des Hauses. Elbeth war ihr eine wunderbare Zofe, kümmerte sich um alles und tat für die junge frowe, was sie konnte. Bisweilen traten Blutungen auf, die sie noch von sich selbst kannte, als sie Jahre zuvor in anderen Umständen gewesen war. Schnell kochte sie einen Tee oder ließ sich Wurzeln bringen, die helfen würden. Dass sie ihr Kind verloren hatte, verheimlichte sie Blancheflur, es lebe bei ihrer Cousine auf dem Land, log sie, um ihre Herrin nicht auf falsche Gedanken zu bringen. Nach der Einnahme der Heilmittel ging es Blancheflur oft rasch wieder besser, aber ihre Schwächlichkeit verlor sie nicht.
    Eines Abends dann kamen Rual und Riwalin nach Hause. Beide gingen gleich zu ihren Frauen und trafen sich mit ihnen in verschiedenen Zimmern - so hatten es die Männer unter sich ausgemacht. Als Rual mit Floräte zusammensaß, sagte er ihr unumwunden, morgen sei der Tag gekommen, an dem sie gegen Morgan in die letzte Schlacht zögen.
    Floräte nahm die Nachricht gefasst auf. »Wie lange werdet ihr fort sein?«
    »Wer soll das wissen? - Ich schicke dir Boten, die euch über den Fortgang unterrichten. Riwalin bittet dich darum, schlechte Meldungen von Blancheflur fernzuhalten.«
    Das sei unbedingt nötig, sagte Floräte, es bereite ihr jetzt schon immer mehr Sorgen, wie blutleer ihr die Königin erscheine.
    »Mo« Dieu«, antwortete Rual darauf und war froh, das Thema wechseln zu können, »das ist, weil sie … Was soll ihr fehlen? Sie isst nichts anderes als du, und du wirkst kräftig und gesund!« Er zwickte sie in den Schenkel.
    »Es geht nicht um das körperliche Wohl«, seufzte Floräte, »manchmal ist auch die Seele krank.«
    »Wusstest du, dass die Seele zwei Öffnungen hat. Welcher von beiden geht es nicht gut?«
    Floräte sah Rual erstaunt an. Er musste lachen. »Alles hat zwei Öffnungen«, fügte er hinzu. »Bei der einen geht’s hinein, bei der anderen hinaus. In der Mitte wird verdaut. Das macht die Seele auch. Manchmal denke ich, die ganze Welt ist so.«
    Floräte runzelte die Stirn.
    »Stell dir vor, der Eingang zur Seele ist zu. Was passiert dann? - Es gibt nichts zu verdauen! - Und nun: Der Ausgang der Seele ist zu. - Das Verdaute kann nicht hinaus. Es wird nochmals verdaut. Dann bekommt die Seele Blähungen. Und was passiert, wenn man Blähungen hat?« Nun konnte sich Rual vor Lachen kaum noch halten. Er wischte sich Tränen aus den Augen. »Man furzt!«, prustete er hervor. Sein Gesicht war vor Lachen so entstellt, dass Floräte ihren Mann kaum wiedererkannte.
    »Und was ist, wenn die Seele nicht furzen kann?«, brüllte er heraus, sah Floräte schon gar nicht mehr an, weil er ganz von seinem Witz beherrscht war. »Sie platzt - vor Lachen!« Rual war aufgestanden, klopfte sich auf die Schenkel und wusste nicht mehr, wie er sich beruhigen konnte.
    »Du musst ins Bett!« Floräte sah ihn ernst an. »Du bist völlig übernächtigt. Das geht alles an die Grenzen deiner Kraft. - Rual!« Sie war ebenfalls aufgestanden und um den Tisch herumgegangen, schüttelte ihren Mann an den Schultern. »Rual, beruhige dich«, bat sie ihn, umarmte ihn, spürte, wie das Lachen in ein Schluchzen überging, wie der Mann, der immer so stark sein wollte, weinte und nicht wahrhaben wollte, dass er längst gesehen hatte, wie besorgt seine Frau war. Sie hatte Angst, er hatte Angst, dass sie sich nicht wiedersehen würden. Gegenseitig hielten sie sich fest.
     
    Erinnerung ~61~ Umgekehrte Zeichen
     
    Ich musste lachen, ich musste weinen, im Lachen weinen, im Weinen lachen. Ich hatte Angst um alle, alle hatten Angst um sich. Der Tod stand vor der Tür, das Leben…
    Es war viele Jahre her, dass Rual diese Worte aufgeschrieben hatte in jener Nacht, als Floräte und er sich ineinander verloren und für immer fanden. Er erinnerte sich, als er die Zeilen wieder las, noch gut daran, wie schmerzensvoll sie sich in der Frühe voneinander verabschiedeten. Es war auch das letzte Mal, dass er Blancheflur lebend gesehen hatte. Sie trug ihren weich über die Schultern fallenden Mantel, sah ihn mit einem betörenden Lächeln an und küsste ihn auf die Wange, die Floräte gleich nach dem Aufstehen von sprießenden

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