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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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Haaren befreit hatte. Rual mochte keinen Bart tragen, und das sagte er auch zum Abschied zu Blancheflur: »Ich hoffe, es dauert nur ein paar Tage, dann darf mich Floräte wieder rasieren, damit du dich nicht an mir stichst.«
    Sie lachten alle vier. Floräte und Rual gingen zur Tür, Riwalin blieb noch eine Weile bei Blancheflur, bis er angelaufen kam, Floräte umarmte und alle Sorge um seine Frau in ihre Hände legte.
    Der Tod stand vor der Tür, das Leben, las Rual nochmals. Bilder von der Schlacht bei Convue stiegen in ihm auf. Er unterdrückte sie. Seitdem waren Jahre vergangen. Tristan war ihm ans Herz gewachsen und größer geworden. Der Streit mit Morgan dauerte an, doch beide Fürstentümer hielten sich an die Vereinbarungen. Während Rual fern von der Burg war, sorgten Linnehard und Floräte dafür, dass mit allen ein Auskommen war.
    In den Jahren, die auf Riwalins Tod und Tristans Geburt folgten, hatte Rual nur noch wenig in das »Buch T« eingetragen. Riwalins Geschichte war erzählt, seine eigene hielt er für unbedeutend und Tristans Entwicklung sowie die seiner Söhne Edwin und Ludvik nahm er nur in Abständen wahr.
    Nach einigen Notaten, die nochmals das schlichte Begräbnis des Königspaars betrafen und versteckte Hinweise auf die wahre Herkunft Tristans enthielten, hatte er das Buch von Zeit zu Zeit nur noch zur documentio der Haushaltsführung benutzt. Die letzte Eintragung betraf eine große Lieferung von Flachs, der geschlagen werden sollte, und eine Aufstellung der Knechte und Mägde, die er dafür brauchte. Das war im späten Herbst des vergangenen Jahres. Außerdem standen am Rand Angaben über die Menge verbrauchten Wassers, insbesondere der Schmiede. Darunter war ein Strich gezogen, als Abschluss hatte er ein Eichenblatt gezeichnet, woran er sich nicht mehr erinnern konnte. Als letztes Notat folgten die Wörter:
    Tristan bald sieben Jahr. Erziehung. Mens agitat molem. Es wird Zeit.
    Darunter blieb die Seite unbeschriftet. Weil er nicht glauben konnte, danach nichts mehr eingetragen zu haben, schlug er die nächsten Blätter um, sie waren alle leer. Auf einer der letzten Seiten des Buches fand er allerdings zu seiner Verwunderung am unteren Rand drei Zeichen, die er zuerst für Flecken hielt oder getrocknete Reste von einer Fliege. Doch dafür waren sie zu genau untereinander gesetzt:
    Er wurde nicht schlau daraus, bis er das Buch auf den Kopf drehte. Jetzt las er »TRI«. Dabei war das »R« unregelmäßig und verschnörkelt, ob absichtlich oder nicht, war nicht zu entscheiden. Eindeutig war allerdings, dass die Zeichen hingeschrieben worden waren. Zuerst dachte Rual, es könnte sich um die Signatur des Meisters handeln, der das Buch hergestellt hatte. Als er aber in den anderen Folianten nachschaute, die aus derselben Werkstatt kamen, konnte er dort nirgends etwas Ähnliches finden. Henn Halden, der das Buch neu aufgebunden hatte, war es wohl ebenso wenig gewesen. Er verwandte immer ein »hh« als Monogramm, das er sogar in den Rücken des roten Ledereinbands eingeritzt hatte.
    Plötzlich musste Rual lächeln. Der Schlingel!, dachte er. TRIstan - deshalb hatte er nach dem Buch verlangt, um darin zu schreiben! Den Namen des Jungen hatte Rual immer in großen Lettern gefasst. Der Junge, klug wie er war, hatte sich die Zeichen abgeschaut und nachvollzogen. Das »R« war ihm noch zu schwierig gewesen, also versah er es mit zusätzlichen Bögen und Schleifen.
    »Schreiben willst du also!«, sagte Rual laut. »Das sollst du lernen. Ich suche dir den besten Lehrer!« Er schlug das Buch zu, stellte es weg, blies bis auf eines alle Lämpchen aus und machte sich auf den Weg zur Kemenate.
    Und sei es auch mitten in der Nacht!, dachte Rual. Er musste unbedingt noch mit Floräte über seine Pläne reden.
     
    Ein Speerwurf ~62~ Ein Entschluss
     
    Rual sah Tristan nun mit anderen Augen. Er bemerkte, wie klug und wissbegierig der Junge war, wie er mit dem Holzschwert und mit selbst geschnitzten Lanzen übte. Sogar ein Wams aus Leder hatte er sich zusammengenäht, das er voller Stolz über dem Hemd trug, und sich einen Bogen geschnitzt, von dem er angespitzte Pfeile auf eine Zielscheibe aus Stroh schoss, wie es die Ritter machten, wenn Jahrmarkt war. Er verlangte nach Pergament, um darauf mit der Feder zu zeichnen, und es gab Tage, da war er verschwunden, und niemand schien zu wissen, wo er war. Wenn er mit einkehrender Dunkelheit wieder auftauchte, wollte er weder Floräte noch Rual Auskunft darüber

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