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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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wissen.
    »Natürlich nicht.«
    »Wie kannst du dann behaupten, dass es ihn gab?«
    »Wie könnt Ihr sagen, dass es ihn nicht gab?«
    »Hab ich das gesagt?«
    Da erhob Blancheflur die Hand. »Hört auf zu streiten«, sagte sie mit verhaltener Stimme, obwohl sie die Geschichte innerlich sehr bewegte. »Erzähl uns mehr von der schönen Isolde!«
    »Isôt!«, verbesserte Lieven sie mit einem Lächeln. Er ergriff seine Harfe und begann, ein Lied über Treue und Leid, Hoffnung und Enttäuschung vorzutragen, das Blancheflur schnell ermüdete. Sie unterbrach sein Spiel und bat nochmals darum, mehr von Isôt zu erfahren.
    »Was kümmert Euch das?«, fragte Riwalin. Er war unruhig geworden. Zu oft hatte er die Auftritte solcher Sänger an den Höfen erlebt. Auch bei König Marke waren sie ein und aus gegangen, hatten ihre Lieder vorgetragen, von fernen Ländern erzählt, von Affen und Elefanten, von Meeresungeheuern und Wesen mit vielen Köpfen und zehn Händen, mit denen sie wie auf Füßen gingen. Riwalin schüttelte den Kopf. Das alles wollte er nicht hören. »In ein paar Tagen«, sagte er zu Rual, »sind wir wieder in den Feldern bei Convue, da müssen wir siegen, nicht singen.«
    Lieven war verstummt, seine Harfe hatte er beiseitegelegt. Als Riwalin nicht mehr sprach, entschuldigte er sich, er habe den Herren nicht den Tag verderben wollen.
    Und wieder war es Blancheflur, die das Gespräch unterbrach. »Was weißt du über das neugeborene Kind, was wird darüber in Erui erzählt? Was ist so Besonderes an ihm, dass du davon sprichst? Sagst du es allen oder nur uns? Ist das Kind mit roten Haaren geboren worden?«
    »Mit so roten Haaren, wie man es selten sieht!« Lieven blickte Blancheflur voller Erstaunen an. »Woher habt Ihr davon Kenntnis?«
    »Ich habe davon geträumt«, sagte Blancheflur und sah Riwalin an, weil sie ihm nichts davon erzählt hatte. Es war ihr zu billig erschienen, ergänzen zu müssen, dass die roten Haare in Wahrheit kleine lodernde Flammen waren und nicht gekämmt werden konnten. Sie hatte diese Traumbilder vergessen. Nun aber berichtete der Barde von einem rothaarigen Mädchen, und wieder sah sie die brennenden Haare.
    »Die draghönen sind, so erzählt man, nicht an Land gekommen«, fuhr der Troubadour fort, »doch während der Geburt soll ein Sternschweif gesichtet worden sein.«
    »Und das bedeutet?« Blancheflur hatte sich wieder gefangen und versuchte, vernünftige Fragen zu stellen.
    »Das bedeutet«, sagte der Troubadour, »nach allem, was wir über die Sternschweife wissen, dass bei uns eine Geburt bevorsteht, denn am Himmel ist sie schon geschehen. Isôt konnte schon den erblicken, der eines Tages bei ihr liegen wird.«
    »Was redest du da?«, fuhr ihm Riwalin ins Wort. Er hatte Blancheflur beobachtet und gesehen, dass ihr Blick von den Personen wegging und in den Raum schweifte, dorthin, wo nichts mehr wahrzunehmen war. Das beunruhigte Riwalin. »Genug«, sagte er zu Lieven. »Du hast uns reichlich erzählt. Nun geh nach draußen. Dort bekommst du deinen …«
    »Gebt ihm zwei goldene Heller«, mischte sich Blancheflur sachlich ein.
    »Zwei goldene Heller?« Riwalin sah seine Frau erstaunt an. Auch Rual und Floräte sahen auf. »Du weißt, wie viel das ist?«
    »Gold ist kein Leben wert, so viel wir davon auch bei uns tragen«, erwiderte Blancheflur. »Aber das Leben, das wir haben, kann wertvoller werden, wenn wir Gold in unseren Händen tragen. - Gebt ihm die zwei Heller!«
    Als Riwalin seine Frau so bestimmt reden hörte, zuckte er zusammen. Ihre Entschiedenheit duldete keine Widerrede. Er erkannte darin die monarchische Unerbittlichkeit des Herrschens, die er an Markes Hof oft beobachtet hatte. Wie um den Ernst ihrer Worte zu unterstreichen, war Blancheflur aufgestanden und hatte dem Troubadour ein Zeichen des Abschieds gegeben, indem sie ihm kaum merklich mit offener Hand zuwinkte.
    Daraufhin hatte Lieven unter Verbeugungen den Saal verlassen. Draußen auf dem Flur wandte er sich an den nächsten Wachhabenden mit der Frage, wer ihm die zwei goldenen Heller auszahle.
    Dafür sei der Schatzmeister zuständig, war die Antwort.
    Wo der sei?
    Im Saal, um dem Barden zuzuhören. »Der Barde bin ich!«, sagte Lieven.
    »Dann musst du warten. Aber nicht hier! Warte draußen auf dem Hof.«
    »Es ist spät, es ist dunkel, ich weiß nicht, wo ich bleiben soll.«
    »Nimm deinen Esel und reite davon.« Der Wachhabende würdigte Lieven keines Blickes.
    »Und was ist mit meinen beiden goldenen

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