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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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doch ohne Hefe und Wasser keins machen kann?«, fragte Tristan zurück und sah Courvenal verstohlen an.
    »Ja, auch das ist möglich«, sagte daraufhin der Lehrer und wollte plötzlich nichts mehr wissen von »Sokratischen Gesprächen«, wie er solche Diskussionen nannte. Denn Eloi war eine Magd, die erst seit ein paar Tagen in der Küche aushalf. Courvenal zeigte viel Interesse für sie. Eloi trug meistens weiße Kleider, Röcke und Hemden, was zu keiner Kochstelle passte. Courvenal aber, hatte er Tristan gestanden, liebte weiße Kleider, und Tristan ahnte, dass Courvenal ein Auge auf Eloi geworfen hatte, was der Lehrer wohl niemals zugegeben hätte. Also neckte Tristan ihn mit diesem Geheimnis und fand heraus, dass er damit »Sokratische Gespräche« abbrechen konnte, die ihn in die Enge führten. Es war ein Spiel, so miteinander zu reden, und Courvenal machte das Spiel mit. Wenn es ihm aber zu viel wurde, wenn Tristan in seinen Andeutungen zu weit ging, dann kehrte Courvenal auch wieder seine Position als Lehrer heraus und ließ Tristan einfach ein paar Seiten aus einem Buch kopieren.
    So vergingen nicht mehr als 15 Tage - Courvenal konnte diese Tage in seinen Aufzeichnungen, die er gewissenhaft führte, wie spät es auch sein mochte, jederzeit nachvollziehen -,… dass Tristan sowohl alles Lateinische lesen wie auch jeden diktierten oder eigenen Text beinahe fehlerlos verfassen konnte. Ein Wunder! - Es ist heute der 17. Tag, seit ich auf Conoêl bin, schrieb Courvenal in einer abschließenden Note an den unteren Rand seines Heftes, in dem nur noch drei weitere Seiten frei waren, der Tag vor dem Neumondfest, auf den sich alle vorbereiten. Auch Tristan hat diesen Tag für sich freigebeten. Er will sich als Schlange verkleiden, die drei Köpfe hat. So will er mit den anderen Masken um die Gebäude und Schuppen ziehen, um nach Einbruch der Nacht die bösen Geister zu beschwören, sich von den Behausungen der Christen fernzuhalten. Er hat mir vorgeführt, wie er mit seinem Schwert den bösen Geistern die Köpfe abschlagen will. - Wie denn diese bösen Geister aussähen?, wollte ich von ihm wissen. - Wie ich!, war seine direkte Antwort. - Und wie siehst du aus?, fragte ich. - Er sah mich an wie jemanden, der nach ausführlicher Rede nichts verstanden zu haben schien, lächelte und sagte: Wie eine Schlange mit drei Köpfen.
     
    Der Regen und das Spiel ~87~ gegen sich selbst
     
    Es schien, als wären die bösen Geister allesamt am Leben geblieben: Nachdem Tristan sein letztes Diktat fehlerlos geschrieben und Courvenal in der Freude über die Fortschritte seines Schülers schon beschlossen hatte, mit ihm bald die Burg zu verlassen und auf Reisen zu gehen, setzte am Tag nach dem Neumondfest ein Wetter ein, das jeglichen Ausritt verbot. Es stürmte vom Meer her und wollte nicht aufhören. Der Regen war so stark, dass kaum einer mehr im Burghof Haus oder Hütte verließ, der Platz mit dem Brunnen stand unter Wasser, die Wege hatten sich in schlammige Bäche verwandelt.
    Courvenal entschied, für die Reise den Sommer abzuwarten, noch zwei volle Monde mussten bis dahin vergehen. Zu lesen gab es im Großen Saal nicht mehr viel außer den Rechnungsbüchern, die Rual als Verwalter angelegt hatte. Ansonsten standen ihnen noch zwei Bibelausgaben zur Verfügung, die Tristan aber bereits kannte. Courvenal befürchtete, dass Tristan sich langweilen würde, wenn sie wieder damit anfingen. Ihm war auch aufgefallen, dass der Junge schon einige Male nach einem in Leder gebundenen Band mit einem T auf dem Umschlag gefragt hatte, ein T, das aussehen sollte wie ein Schwert ohne Knauf. Sie hatten danach in den Regalen gesucht und nichts gefunden. Courvenal hatte Rual gefragt und bekam nur ein Achselzucken zur Antwort. Floräte sprach er erst gar nicht an, sie hasste Bücher. Von ihnen käme alles Unheil auf dieser Welt, behauptete sie.
    »Ein Buch hat noch keinem Ritter den Kopf abgeschlagen«, sagte Courvenal daraufhin. Sie saßen jetzt oft stundenlang zusammen in der Kemenate, in der auch gegessen wurde, während draußen unablässig der Regen fiel. Einer war auf den anderen angewiesen, weil in dieser Zeit keine Schiffe im Hafen einliefen, keine Pilger und Kaufleute kamen, und es gab auch keine Streitigkeiten unter den Fürsten der angrenzenden Länder. Rual lobte deshalb dieses von allen verfluchte Wetter, denn er hatte endlich Ruhe und musste nicht dauernd mit seinen Reitern zu abgelegenen Orten aufbrechen, die von Raubrittern oder

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