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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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den Narren vorgespielt? Und willst dich jetzt aus dem Staube machen? Ist es so?«
    Während Courvenal so auf Weinand einredete, ihn beinahe anschrie, sank Tristan immer mehr in sich zusammen. Er ahnte, dass den Sänger eine furchtbare Strafe treffen würde, und spürte irgendwo in seinem Inneren, dass er etwas damit zu tun hatte.
    »Wenn ich dir nicht die Zunge aus dem Hals schneiden soll«, sagte Courvenal in diesem Augenblick, und Tristan wollte fast aufschreien, als er den Satz hörte, »dann gehst du jetzt zu deinem irischen Druiden und sagst ihm, dass es hier an dieser Küste keinen Königssohn gibt und dass uns die Iren in Frieden lassen sollen. Hast du das verstanden?«
    Weinand stammelte etwas, das wie eine Bestätigung klang.
    »Doch bevor du, begleitet von unseren Leuten, gehst, sag mir noch eins: Was hätten die Iren tun wollen, wenn du ihnen gesagt hättest: Ja, dort, auf der Burg Conoêl, da lebt ein Königssohn?«
    »Ich weiß es …« Weinand stockte, und Tristan hörte Schritte, die, begleitet von metallischem Rasseln, nur von Soldaten herstammen konnten. Gleich darauf schrie Weinand vor Schmerz kurz auf. Dann war wieder seine Stimme im Raum, und er sagte: »Sie wollten übers Meer kommen und alle Kinder töten.«
     
    Traum ~92~ Und schneller Aufbruch
     
    Weinand wurde abgeführt. Tristan hörte die Befehle. Sie klangen kurz und endgültig. Als es ganz still in der Kemenate war, schöpfte er sich mit einem Becher seine Schale voll mit Muschelsuppe, verschüttete einen Teil davon auf den Boden und seine Beinkleider, weil er zu hastig war und Angst hatte, er könnte bei der allgemeinen Aufregung nichts davon abbekommen. Eilig stahl er sich davon und versteckte sich in seines Vaters Kemenate, nachdem er sich vergewissert hatte, dass dort niemand war. Hier würde man ihn am wenigsten suchen, dachte er sich, verkroch sich neben einer Truhe und schlürfte seine Suppe aus, klemmte die Schüssel zwischen seine Knie und lutschte an jeder Muschelschale so lange, bis sie ganz blank war. Vom Gang her hörte er, wie man nach ihm rief. Courvenal rief seinen Namen, und auch die Stimmen der Wachmänner hörte er.
    Tristan hielt still. Sein Magen war wunderbar gefüllt, immer wieder leckte er sich die Lippen, wie es die Katzen tun. Er wurde müde, wagte es aber nicht, die Augen zu schließen. Da hörte er ein Klopfen. Es musste aus dem Innern der Truhe kommen. Er legte sein Ohr an das Holz, das Klopfen schien direkt dagegen zu schlagen. »Hier ist er nicht«, hörte er jemanden ganz in seiner Nähe sagen und stand trotzdem nicht auf, weil er sich unsichtbar fühlte. Er hob den Deckel der Truhe an und sah die goldene Kugel, die ihm sein Vater einmal zum Spielen gegeben hatte. Jetzt erkannte er auch die Stimme wieder, die gesagt hatte: »Hier ist er nicht!« Sie stammte von dem fremden Ritter, der das Geld hatte eintreiben wollen. Und weil ihm die Kugel schon einmal geholfen hatte, diesen Kerl loszuwerden, nahm er sie schnell an sich und hockte sich wieder hin. Dabei stieß er gegen seine Suppenschüssel. Sie kippte um und rollte auf dem steinernen Boden in einem Halbkreis von ihm weg. Er wollte aufspringen und sie an sich nehmen. Da verstellten ihm zwei lederne Schuhe, spitz zulaufend mit fest geknüpften Bändern und über den Gelenken der Fußknöchel umgestülpt wie ein Kragen, den Weg.
    »Er ist hier?«, hörte er nun ganz deutlich jemanden sagen und wachte auf. Verschlafen blickte er zu einem Wachsoldaten auf, und gleich darauf stand Courvenal vor ihm.
    »Tristan?«, hörte er ihn mit weicher Stimme sagen. »Wir haben dich überall gesucht. Steh auf, mein Junge, es geht auf den Abend zu, doch wie ich sehe, hast du schon etwas gegessen.« Er bückte sich und hob die Schüssel auf. »Wie heißt es so schön: Tempus fugit!«, sagte er dabei. »Aber jetzt wird es Zeit für eine Unterbrechung. Wir machen uns bald auf den Weg.«
    Tristan rieb sich die Augen und wunderte sich dabei, dass er die Kugel nicht in seinen Händen hielt. »Wohin?«, fragte er leise.
    »Du hast mir wieder nicht zugehört«, sagte Courvenal und reichte ihm die Hand. »Heute ist der Tag, an dem unsere Reise beginnt. Dein Bündel ist schon gepackt, das Pferd steht auf dem Hof, und du musst dich noch von deinen Eltern verabschieden. - War das nicht eine herrliche Muschelsuppe? So bald werden wir etwas derart Köstliches nicht mehr bekommen. - Los jetzt!« Courvenal gab die Holzschüssel dem Wachsoldaten und half dem Jungen beim

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