Triumph des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
zwei Fässer Bier standen unbeaufsichtigt daneben. Von den grauen Kittelschürzen war jedoch kein Bändel mehr zu sehen.
»Weg. Haben vermutlich Feierabend gemacht«, meinte Geraldine.
»Wer hat hier eigentlich das Kommando?«, fragte der Fotograf.
»Die Rennleitung, schätze ich. Drüben, am Wertungsplatz.«
Wir begaben uns also zu den löblichen Herren, die eifrig Aufzeichnungen und Tabellen bearbeiteten, und erhielten die Auskunft, dass sie für die Verpflegung nicht zuständig seien. Wir Frauen könnten uns ja darum kümmern.
Ich war hungrig, und ich war sauer.
Beides zusammen führte dazu, dass ich dem Mann beinahe eine gelangt hätte. Dann aber wandte ich mich ab und sagte zu Gerry: »Dann übernehmen wir das eben.«
»Vergiss es, Emma. Ich mach hier nicht die Servierkraft. Ich hol mir einfach eine Schüssel und verpflege mich selbst. Du kannst ja das Küchenmädchen geben, das hast du ja gelernt.«
Einen Augenblick lang sah ich rot.
Dann siegte die Gastwirtin in mir, die ich schon lange in die Verbannung geschickt hatte. Offensichtlich konnte ich diesen Teil von mir doch noch nicht ablegen. Menschen mussten mit Essen und Trinken versorgt werden. Beides war vorhanden – was fehlte, war eine Organisation. Da Gerry sich zu fein für solche Dienstleistungen war, musste ich mir andere Helfer suchen.
Hans!
Hans war ein Meister darin, solche Dinge zu regeln.
Ich stob über den Platz und schnappte mir einen der Mechaniker. Er verwies mich an die linke Baracke. Dort wiederum packte ich einen mir fremden Fahrer, der rauchend am Eingang stand, und bat ihn, mir Hans Beckhaus herauszurufen. Ich musste wohl ziemlich kratzbürstig gewirkt haben, denn er tat es ohne Widerworte, und Hans erschien sogleich.
»Wir haben hier ein Problem, Hans. Das Essen muss verteilt werden. Die Eifler Suppenhühner sind ausgeflogen und haben nur zwei Kessel Erbsensuppe stehen lassen.«
»Das ist doch schon mal was. Gibt es Schüsseln und Löffel?«
Da war er wieder, der gelassene Majordomus. Seine unerschütterliche Ruhe gab mir wieder Vertrauen.
»Müssen wir prüfen«, meinte ich. »Vermutlich in irgendwelchen Kisten.«
»Dann wollen wir mal, Fräulein Emma.«
Erleichtert seufzte ich auf. Auf Hans war wirklich Verlass. Wir inspizierten das Küchenzelt und fanden alles in einer Kiste.
»Wir brauchen mehr Helfer.«
»Ja, ich weiß. Ich hole ChiChi und ChouChou.«
Die beiden Mädchen mochten kleine Kichererbsen sein, aber irgendwie standen sie mit ihren seidenbestrumpften Füßen fest auf dem Boden. Sie und Gregoire brauchte ich nicht lange zu überreden.
»Wir schenken Suppe aus, das macht Spaß. Und Greg kann Bier zapfen.«
Als wir zu viert zurück zum Zelt gingen, hörten wir den lebhaften Gesang der englischen Piloten.
»The bells of hell go ting-a-ling-a-ling!«
»Emmalou, Darling-a-ling-a-ling!«
»Chester, Beau. Ihr kommt gerade recht. Könnt Ihr mit dem Messer umgehen?«
»Wen sollen wir für dich skalpieren?«
»Die Rennleitung! Nein, viel weniger blutig. Ich brauche Hilfe in der Küche. Brot ist zu schneiden.«
»Und dann gibt es Essen? Emma, du bist ein Schatz!«
Vor Jahren hatten wir im Hotel Rheinblick oft große Gesellschaften ausgerichtet. Über hundert Gäste mit einem fünfgängigen Menü zu versorgen war eine nicht zu unterschätzende logistische Aufgabe. Und als 1918 die Truppen zurückgekommen waren, hatten auch wir einen Teil von ihnen verpflegen müssen. Hier warteten knapp zweihundert Männer auf ein einfaches Mahl und ein Glas Bier.
Mit Hans an meiner Seite war das leicht zu bewältigen.
Gregoire zapfte schon eifrig, die Mädchen rührten in den Kesseln, Hans stellte Schüsseln und Löffel auf einen Tisch am Eingang, und als ob eine geheimnisvolle telepathische Verständigung existierte, stand plötzlich eine lange Schlange Hungriger vor dem Zelt.
Es lief wie am Schnürchen – ChiChi und ChouChou schöpften gekonnt aus dem Kessel, bedachten die Männer mit lustigen Sprüchen und ihrem ansteckenden Kichern, Beau und Chester säbelten Scheiben von den Broten und sangen ihre martialischen Lieder, Hans und Gregoire gaben Biergläser aus, und ich wies den Leuten Plätze an den langen Tischen zu, damit kein Gedränge entstand. Ein buntes Sprachgemisch herrschte, Geplauder, Lachen, Scherze, Löffelklappern, Gläserklirren.
Menschen waren mit so wenig glücklich zu machen. Eine warme Suppe nach einem anstrengenden Tag, ein kühles Bier, ein freundliches Gesicht, schon waren Strapazen und Streit
Weitere Kostenlose Bücher