Triumph des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
lange das Terpentin brauchte, um unter Belastung den Schlauch zu zerfressen.
27. NACHTFAHRT
Pack up your troubles
in your old kit bag
and smile, smile, smile.
Soldiers Song
N och halb von dem kurzen Schlaf auf der harten Pritsche in der Arbeiterbaracke benommen, kroch Mac unter der Decke hervor. Das Tröten der Sirene auf der Baustelle hatte sie alle geweckt, und von jetzt an hatten sie eine halbe Stunde Zeit, sich startbereit zu machen. Jemand hatte Kaffee gekocht, der ihm den Mund verbrannte und einen bitteren Geschmack hinterließ. Aber etwas wacher wurde er davon, und auch Hans streckte sich, bereit für die nächste Etappe.
Sie prüften noch einmal den Ford, fanden ihn unverändert und fahrbereit. Als das Signal zum Aufbruch ertönte, sprang der Wagen sogleich an, und auch die Scheinwerfer flammten ordnungsgemäß auf. Ein Wagen nach dem anderen rollte am Posten vorbei, der sich Nummer und Zeit notierte, dann nahmen sie die gewundene Straße Richtung Adenau. Die Route folgte dem Breitschneider Bach, große Steigungen waren nicht mehr zu erwarten, wohl aber ragten dunkel bewaldete Berge rechts und links auf. Die Gegend war menschenleer und finster. Gelegentlich sah man die Lichter der anderen Fahrzeuge in den Kurven aufleuchten, ansonsten galt es, sich auf die Straße aus festgefahrenem Lehm zu konzentrieren und Schlaglöcher zu meiden.
Es ging langsam voran, und Mac achtete sorgsam darauf, die holprigen Stellen vorsichtig zu umfahren. Der Reifen, der am Vortag Luft verloren hatte, hatte ihnen zu denken gegeben. Hans und er hatten ihn bei ihrer Ankunft im parc fermé vom Wagen genommen und später gründlich untersucht. Der äußere Gürtel war nicht beschädigt, und das war verwunderlich. Normalerweise verursachten spitze Steine, Splitter oder scharfe Kanten Risse oder Löcher im Gummi, der, weil mit einem Cordgeflecht unterlegt, schon einiges aushielt. In ihrem Fall aber war der Schlauch innen defekt gewesen, wie sich zeigte, als sie den Reifen von der Felge genommen hatten. Ein unregelmäßiges Loch war darin entstanden, in dem der Gummi wie aufgeweicht aussah.
Und das roch nach Sabotage.
Sollten die sich häufenden Reifenpannen daher rühren, dass jemand die Rallye oder einzelne Wagen in Verruf bringen wollte? Hans und er hatten überlegt, ob sie ihre Erkenntnisse der Rennleitung melden oder die nächste Strecke abwarten und bei weiteren Reifenpannen eine gezielte Untersuchung verlangen sollten.
Hans wollte augenblicklich Meldung machen.
»Es könnte auch ein Materialfehler sein«, hatte Mac zu bedenken gegeben. »Wir würden jetzt die gesamte Weiterfahrt aufhalten. Morgen, am Rasttag in Köln, da kann man eine Überprüfung in die Wege leiten. Sollte sich wirklich jemand daran zu schaffen machen, müsste er das tun, nachdem die Fahrzeuge im parc fermé eingeschlossen sind.«
»Und die Wächter es nicht bemerken.«
Mac gab ein trockenes Lachen von sich.
»Wächter, Hans …«
»Ja, ja, kann man bestechen oder ablenken. Wissen wir beide.«
»Fragt sich, wer ein Interesse an solchen Pannen hat. Waren bei den anderen die Schläuche ebenfalls von innen zerstört, oder sind wir die Einzigen?«
»Wird man erfragen können. Da vorne aufpassen, Abbiegung und Kurve.«
Eine Weile fuhren sie schweigend weiter. Einmal musste Mac scharf bremsen, denn ein Rudel Rehe querte die Straße. Dann erreichten sie ein Dörfchen und folgten anschließend dem Lauf der Ahr. Hier endete auch die völlige Einsamkeit, mehr und mehr Ansiedlungen reihten sich aneinander. Doch jetzt, gegen zwei Uhr, war noch alles dunkel und still, auch wenn hier und da ein Licht hinter den Fenstern aufflammte. Die Anwohner mochten durch den ungewohnten Motorenlärm aus den Betten gescheucht worden sein.
»Hoffen wir, dass keiner den Herrn Pfarrer weckt, der uns dann wieder mit Teufel und Weihwasser bedroht«, unkte Hans.
Auf der Trainingsfahrt vor einigen Wochen war ihnen genau das passiert. Der örtliche Geistliche, ein Mann, kaum des Deutschen mächtig, hatte sich mitten auf die Straße gestellt und ihnen die Durchfahrt verwehrt. Weder Geld noch gute Worte hatten ihn erweichen können, und so hatten sie einen ziemlichen Umweg in Kauf nehmen müssen. Die Bewohner der Eifel waren ein abergläubisches Völkchen und Neuerungen nicht zugetan. Was sie nicht verstanden – und dazu gehörte beispielsweise auch elektrisches Licht und Telefone –, erachteten sie als Hexenwerk, das es zu verbannen galt.
Nach dem nächsten Weiler
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