Trix Solier - Odysee im Orient - Lukianenko, S: Trix Solier - Odysee im Orient - xx
Zweifel gehegt, ob die berühmte Assassinen-Schule nicht längst geschlossen sei, sah er sich nun eines Besseren belehrt.
Die grünlichen Pflastersteine passten exakt aneinander und waren sauber gefegt. In schönen weißen Schalen wuchsen farbenfrohe Blumen, über denen winzige bunte Vögel flatterten. In Springbrunnen rauschte Wasser, und die Fische, die darin schwammen, deuteten darauf hin, dass es nicht vergiftet war.
»Wie schön es hier ist!«, rief Tiana begeistert aus.
»Hast du etwa geglaubt, wir, die kunstfertigsten Mörder der Welt, würden in düsteren Behausungen leben?«, fragte Aabeze. »Die Schule hat die prachtvollsten Gärten südlich von Dachrian, die weltweit größte Gemäldesammlung sowie eine vorzügliche Kollektion an Statuen. Letztere bringen wir nicht einmal alle im Schloss unter, weshalb wir uns gezwungen sahen, einige entlang des Weges aufzustellen.«
»Was es für Mühe kosten muss, all das zu pflegen!«, bemerkte Tiana. »Ihr müsst ja unzählige Dienstboten haben.«
Trix verstand sofort, worauf Tiana mit dieser Bemerkung abzielte. Würden etwa sie, die Schüler, den Hof fegen, die Bilder abstauben und die Blumen gießen müssen?
»Auf Personal können wir glücklicherweise verzichten«, sagte Aabeze. »Das Schloss ist mit alten und mächtigen Reinheits- und Pflegezaubern belegt. Vor fünfhundert Jahren hat die Schule sehr viel Geld darauf verwendet, die besten Zauberer für diese Aufgabe zu verpflichten.«
Damit wusste Trix, warum die Alltagsmagie seit fünfhundert Jahren vor sich hin dümpelte (jedenfalls behaupteten das Sauerampfers Bücher). Wenn die ausgefeiltesten Zauber für das Schloss der Assassinen verwendet worden waren, dann konnte man über schmutzigem Geschirr natürlich noch so viel zaubern – am Ende musste man es doch selbst abwaschen!
»Wohin stecke ich euch bloß?«, überlegte Aabeze derweil laut. »Unsere Schule hat drei Häuser: das der Kühnen und Tapferen, das der Eifrigen und Sturen und das der Lustigen und Gewitzten. Früher gab es noch das Haus der Gemeinen und Neidischen, aber da wollte niemand hin, deshalb haben wir es geschlossen.«
»Wie wird denn entschieden, in welches Haus ein Schüler kommt?«, fragte Trix, während sie durch den Hof gingen.
»Als wir noch viele Schüler hatten«, holte Aabeze aus, und in seiner Stimme schwang Wehmut mit, »haben wir immer eine eindrucksvolle Zeremonie veranstaltet. Jeder Kandidat musste einen magischen Turban aufsetzen, der hat diese Frage entschieden. Ehrlich gesagt hat er aber einfach nach Lust und Laune ein Haus genannt. Heute verzichten wir auf diese Zeremonie, außerdem dürfte der Turban längst von Motten zerfressen sein.«
»Motten vergreifen sich nicht an magischen Artefakten!«, brillierte Trix mit seinem Wissen.
»Magische Motten schon! Die fressen sogar ausschließlich Artefakte. Fliegende Teppiche, Mäntel, die unsichtbar machen …« Der Lehrer öffnete eine Tür und hieß sie mit einer Geste ins Schloss eintreten. Auch hier war alles sauber und sehr geschmackvoll. Überall hingen Gemälde, auf den mit Mosaiken verzierten Marmorböden lagen Teppiche, von der ausgemalten Decke hingen funkelnde Kristallleuchter herab.
»Ihr besitzt all diese Artefakte?«, fragte Trix aufgeregt.
»Zumindest besaßen wir sie früher. Vor den Motten. Ihr müsst verstehen, ihr lieben Jungen …«
»Ich bin kein Junge!«, ging Tiana abermals in die Luft, doch Aabeze überhörte sie einfach.
»… wir Assassinen sind immens reich. Da haben wir Unmengen von Schmuck, Kunstwerke und andere Kostbarkeiten erworben. Abgesehen davon unterhalten wir insgeheim die Königliche Universität des überflüssigen Wissens sowie die Dachrianer Akademie der Künste und des Handwerks!«
»Wozu?«
»Wie, wozu ? Damit wir immer jemanden bestechen können! Damit das Schöne in der Welt wächst!«
Darauf wusste Trix nichts zu antworten.
»Aber wohin stecke ich euch jetzt?«, fragte Aabeze.
»Ins Haus der Kühnen und Tapferen!«, entschied Trix.
»Das geht nicht, da gibt’s keinen Dekan«, sagte Aabeze.
»Dann in das der Eifrigen und Sturen«, schlug Tiana vor.
»Würd ich gern, ihr lieben Jungen …«
Tiana seufzte, sagte aber nichts.
»… aber vor zwanzig Jahren ist der Wohnturm dieses Hauses eingekracht. Er war sehr prachtvoll, spottete jedoch allen physikalischen Gesetzen. Ihr müsstet also in Ruinen leben, da die Regeln unserer Schule verlangen, dass die Schüler im Wohnturm ihres Hauses untergebracht werden.«
»Dann
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