Trix Solier - Odysee im Orient - Lukianenko, S: Trix Solier - Odysee im Orient - xx
häufig zu waschen, holt er sich früher oder später einen solchen Zug weg, dass weder verschimmeltes Brot oder Weidenrinde vom Heiler noch Genesungszauber vom örtlichen Magier helfen.
Gut, die Barbaren aus dem Norden sind für ihren seltsamen Brauch bekannt, sich in ein kleines Holzhaus einzuschließen, sich in diesem völlig nackt auszuziehen, Wasser auf glühende Steine zu gießen, lachend und singend in einer Dampfwolke zu sitzen, sich mit jungen Zweigen gegenseitig zu peitschen und sich mit Eiswasser zu übergießen sowie Gerüchten zufolge sich sogar nackt im Schnee zu wälzen.
Die Bewohner Samarschans pflegen übrigens einen ähnlichen Brauch: Sie legen sich in einem großen Steinhaus mit Fenstern in der Decke auf warme Marmorbänke und steigen anschließend abwechselnd in Becken mit warmem und kaltem Wasser.
Im zivilisierten Königreich begnügte sich ein adliger Mensch jedoch damit, sich zwei Mal (wenn er gesund und unverheiratet war) beziehungsweise drei Mal (wenn er gesund und verheiratet war) im Leben zu waschen. Sollte er von schwacher Gesundheit und an einen durch und durch menschenverachtenden Heiler geraten sein, nehmen die Male zu (geringfügig). Alles andere erledigen Regen, Furten durch einen Fluss, ein Kübel mit Spülwasser, der zu nächtlicher Stunde aus dem Fenster gekippt wird (häufig war dieses Wasser sauberer als ein Mensch von adliger Herkunft), und zahlreiche aromatische Öle und Aufgüsse, die einen beträchtlichen Teil der Einkünfte der Alchimisten ausmachten.
Trix war jedoch noch sehr jung und hatte die Kindern eigene, befremdliche Angewohnheit noch nicht überwunden, ins Flusswasser zu springen, auch wenn das gar nicht nötig war. Obendrein wusch sich sein Lehrer Radion Sauerampfer einmal im Monat (manchmal sogar öfter) in einem großen Zuber. Er hatte Trix ans Herz gelegt, seinem Beispiel zu folgen, und verlangte außerdem, sein Schüler möge sich jeden Morgen die Hände und das Gesicht mit Seife waschen. Insofern war der Jüngling auf Wasserprozeduren vorbereitet.
Mehr noch, er konnte sich nicht zurückhalten: Trix bewegte den Hebel am Rohr, um das warme Wasser in die Schüssel einzulassen.
Um Viertel vor sieben (die Uhren in den Türmen der Assassinen-Schule schlugen die Zeit) trafen sich Trix und Tiana im Gemeinschaftssaal des Hauses der Lustigen und Gewitzten. Sie trugen beide schwarze Hosen, die von einem eleganten weißen Gürtel gehalten wurden, und lockere schwarze Hemden (Kleidung in allen Größen hatten sie im jeweiligen Schlafraum gefunden). Ihre helle Haut fiel jetzt besonders auf.
»Wie die hier alles organisiert haben«, sagte Trix. »Ich habe mir diese Schule ganz anders vorgestellt.«
»Hast du schon einen Topf gefunden?«, fragte Tiana.
»Nur unterm Bett. Und den wollte ich nicht nehmen. Also komm, lass uns mal unten nachsehen!«
Dort fanden sie ohne Mühe Töpfe für den Unterricht. Das ganze Schloss war derart mit Gegenständen vollgestopft, dass ihr Problem weniger darin bestand, einen Topf zu finden, als vielmehr darin, sich einen auszusuchen. Trix entschied sich schließlich für einen gewöhnlichen Stahltopf, Tiana wählte einen silbernen, dessen Maße nahelegten, er gehöre eher einem Alchimisten als einem Koch. Gräser suchten sie im Schlossgarten. Trix riss die ersten Blumen aus, auf die er stieß (es waren Ringelblumen), Tiana, die ernster an die Sache heranging, pflückte einige Blätter Echten Lorbeers sowie ein paar Blütenblätter der Magnolie.
Damit blieb nur eine Frage: Wo befand sich der Hörsaal Nr. 1? In dem Moment bemerkte Tiana jedoch den Rauch, der über dem Donjon aufstieg.
»Wo Rauch ist, ist auch ein Herd«, schlussfolgerte sie. »Und wo ein Herd ist, sollten wir wohl mit unseren Töpfen hin.«
Im Schlossinnern gab es eine Brücke, die zu diesem massiven runden Turm führte und heruntergelassen war. Die Töpfe schwenkend, drangen Trix und Tiana ins Herz des Schlosses vor. Sie wussten sofort, dass sie sich nicht geirrt hatten, denn der Hörsaal nahm das ganze untere Geschoss des Donjons ein. In fünf Reihen zogen sich Sitzbänke zu den Wänden hoch. Sie bildeten ein Hufeisen um das runde Katheder, hinter dem bereits ebenso aufgeregt wie feierlich der Lehrer Aabeze wartete. Er hatte seinen alltäglichen Mantel und Turban gegen einen finsteren schwarzen Umhang und eine runde, schwarze Kappe getauscht. Den Umhang hielt ein bescheidener, schwarzer Gürtel. Als die beiden neuen Schüler eintraten, schlug die Uhr sieben.
»Ihr
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