Trix Solier - Odysee im Orient - Lukianenko, S: Trix Solier - Odysee im Orient - xx
Familien auszuteilen, da hat deine Mutter natürlich fröhlich die Kelle geschwungen! Nur ging die Hälfte neben die Schüssel! Und sobald sie das Fleisch verteilt hatte und nur noch die dünne Suppe übrig war, hat sie meiner Mutter die Kelle in die Hand gedrückt! Nein, uns haben einzig und allein die Soldaten geliebt, denn mein Vater hat sie stets gut behandelt.«
Trix lauschte dieser feurigen und offenbar aufrichtigen Rede Derricks mit offenem Mund. Bis heute war ihm nie auch nur in den Sinn gekommen, dass seine Eltern, die Mitleid mit allen Armen zeigten und Witwen wie Waisen tatkräftig unterstützten, irgendwie Unrecht tun könnten. Doch aus Derricks Worten folgte … nichts Gutes.
Denn glaubte Trix Derrick, luden die Soliers alle unangenehmen Aufgaben eines Herrschers bei den Gris ab. Galt es dagegen, Almosen zu verteilen, jemanden zu begünstigen oder zu begnadigen und die Künste zu fördern, drängelten sie sich vor.
Und so ging das in der Tat nicht, da hatte, wie Trix voller Scham zugeben musste, Derrick recht!
Andererseits wollte und durfte Trix nichts auf die Ehre seiner Familie kommen lassen. »Wenn meine Eltern nun einmal von Natur aus weicher und gütiger sind«, erklärte er deshalb, »dann ist es nur richtig, dass sie alle strengen Entscheidungen deinen Eltern überlassen. Auch ein Magier und ein Ritter übernehmen im Kampf unterschiedliche Aufgaben! Der Magier zaubert, der Ritter schwingt sein Schwert! Keiner der beiden käme auf die Idee, dem anderen sein Verhalten zu verübeln. Hätten wir nicht darüber reden können, dass es so nicht weitergeht? Warum musstet ihr gleich einen Aufstand anzetteln?«
»Was heißt hier gleich ?« In seiner Empörung schossen Derrick Tränen in die Augen. »Jahrelang hat mein Vater auf deinen eingeredet. Dass es so nicht weitergeht! Dass ein Co-Herrscher sich nicht so verhalten darf! Doch dein Vater wollte von alldem nichts wissen. Und irgendwann … irgendwann ist meinem Vater der Kragen geplatzt. Als ihm dann die Vitamanten ein Bündnis angeboten haben …«
»Die Vitamanten wittern stets, wenn etwas faul in einem Staate ist«, räumte Trix ein. »Aber warum hasst du mich so? Was habe ich dir getan?«
»Weißt du das wirklich nicht?«, fragte Derrick. »Du bist klug, du hast alle Chroniken im Schloss gelesen. Meine Eltern haben immer gesagt, ich solle mir ein Beispiel an dir nehmen. ›Wie gebildet dein Cousin ist! Nicht so ein ungeschliffener Klotz wie du, der nur mit Pfeil und Bogen und dem Schwert umgehen kann!‹ Wenn ich ein Bild gemalt und es meiner Mutter gezeigt habe, damit sie mich lobt, kriegte ich bloß zu hören: ›Was für ein Geschmiere! Dein Cousin hat neulich einen Apfel gemalt, in den hättest du am liebsten reingebissen! Und du? Was soll das überhaupt sein? Ein Rathaus mit einer Uhr? Dieses schiefe und krumme Gebäude?! Und die Uhr sieht aus, als ob sie in der Sonne geschmolzen ist!‹ Jedes Gedicht von mir haben sie nur verlacht. ›Striegle lieber die Pferde, denn dichten kannst du nicht. Das reimt sich ja nicht mal!‹ Und als ich ihnen erklärt habe, ich hätte mir absichtlich Gedichte ohne Reim ausgedacht, da haben sie mich erst recht ausgelacht! Was meinst du denn, warum mein Vater dich nicht einkerkern wollte? ›Ich lasse Trix frei. Der Junge ist so zart und sensibel, im Kerker geht er doch ein und stirbt‹, hat er zu meiner Mutter gesagt. ›Lassen wir ihn laufen. Ich will nicht noch weitere Sünden auf meine Seele laden …‹«
»Dann hat er gelogen!« Nun traten auch Trix Tränen in die Augen.
»Von wegen! Er hat dich immer viel lieber gehabt als mich!«, brüllte Derrick. »Warum bist du bloß kein Mädchen?«
»Bitte???«
»Dann hätten wir geheiratet und das Co-Herzogtum wäre auf natürlichem Wege vereint worden!«
Prompt rückte Trix mit dem Stuhl etwas von Derrick weg. »Halten wir uns lieber an den gegebenen Lauf der Dinge!«
»Also, glaub ja nicht …«, stammelte Derrick. »Das war ausschließlich im Interesse des Staates gedacht. Überhaupt mag ich blonde Mädchen viel lieber … Und jetzt mach schon!«
»Was?«, fragte Trix.
»Was wohl?! Bring mich um! Ich wollte dich töten und du hast mich dabei ertappt. Da wir beide Assassinen-Schüler sind, darfst du mich jetzt umbringen, mir die Ohren abschneiden und sie dem Lehrer Aabeze bringen. Danach gilt deine Ausbildung automatisch als abgeschlossen!«
Trix stierte auf Derricks Segelohren. » Darf ich dich umbringen? Oder muss ich dich umbringen?«
»Ich
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