Trix Solier - Odysee im Orient - Lukianenko, S: Trix Solier - Odysee im Orient - xx
Derrick durfte jedoch weder das eine noch das andere für sich beanspruchen, so dass er im Zauber festhing. »Stattdessen hast du eine ganze Woche gewartet.«
»Ich habe gehofft, deine Aufmerksamkeit lässt nach«, murmelte Derrick. »Erinnerst du dich noch, wie wir beide zehn Jahre alt waren? Damals waren wir dicke Freunde, jedenfalls zwei Tage lang, bis ich dich in den Hofteich geschubst habe.«
»Das habe ich nicht vergessen«, sagte Trix. »Danach habe ich zwei Monate nicht mit dir gesprochen.«
»Ich konnte getrost darauf verzichten, mit dir zu reden«, knurrte Derrick. Er versuchte, seine Hand zu bewegen, und fragte kleinlaut: »Kannst du den Zauber nicht aufheben?«
»Da musst du dich noch ein wenig gedulden«, entgegnete Trix. »Zuerst wollen wir ein wenig plaudern!«
Er zog einen Stuhl zur Tür, setzte sich vor Derrick hin und musterte Besen wie Bratpfanne. »Was hattest du vor?«, fragte er. »Wolltest du mich mit dem Besen kaltmachen oder mir mit der Bratpfanne eins über den Schädel ziehen?«
»Erst mit der Bratpfanne, dann mit dem Besen«, spie Derrick aus. »Ein Schlag mit dem Besen und dein Körper hätte zweitausend winzige Löcher weg!«
»Dein Pech, dass ich ein Magier bin!«
»Pah!« Derrick spannte noch einmal alle Kräfte an, klebte aber nach wie vor in dem unsichtbaren Spinnennetz. »Was habe ich meinem Vater in den Ohren gelegen, dass du nicht ungeschoren davonkommst. Aber er meinte, ich bräuchte einen Erzfeind, das würde mich anstacheln! Und was haben wir davon?! Dass wir hier in diesem mistigen Samarschan versauern!«
»Hat dein Vater dich auf diese Schule geschickt?«, nahm ihn Trix weiter ins Verhör.
»Nein«, antwortete Derrick, »er war sogar dagegen. Er setzt nach wie vor auf das Bündnis mit den Vitamanten. Aber ich habe schon als Kind davon geträumt, Assassine zu werden. Deshalb habe ich einen Ring meines Vaters geklaut, ihn verkauft, ein Kamel, getrocknete Feigen und eine Trinkflasche mit Wasser erstanden, einen Wüstenführer angeheuert und bin hierhergekommen.«
»Damit du Assassine wirst, dann ins Königreich zurückkehrst und mich tötest?«
»Dich und deine Eltern! Und diese Fee auch noch!«, giftete Derrick. »Ach ja, und König Marcel nicht zu vergessen!«
»Warum hasst du meine Familie so?«, fragte Trix traurig. »Wir sind schließlich Cousins. Unsere Vorfahren haben so viele Jahrhunderte friedlich zusammengelebt!«
»Ich soll euch hassen?«, empörte sich Derrick. »Das seid ja wohl ihr, die Soliers, die uns, die Gris, hassen!«
»Das ist gelogen!«, rief Trix. »Dein Vater hat diesen Aufstand angezettelt und meine Eltern …«, er verstummte, weil ihm im letzten Moment einfiel, dass Derrick die Wahrheit nie glauben würde, »… ins Gefängnis gesteckt. Er wollte sie töten. Und mich hat er außer Landes gejagt. Außerdem hat er überall behauptet, mein Vater sei der Rebell!«
»Was blieb ihm denn anderes übrig?!« Derrick geriet derart in Wut, dass er sich ein kleines Stück nach vorn bewegen konnte. »So wie deine Eltern die Dinge haben schleifen lassen! Dein Herr Vater hat sich ja bloß für Jagd und Empfänge interessiert! Auf Bällen hat er den Damen schöne Augen gemacht! Und Barden hat er an den Hof gerufen. Einmal in der Woche hat er ein paar lächerliche Bittsteller empfangen, die er alle mit einer höflichen Antwort abspeiste, aber ansonsten konnte er sein Leben in vollen Zügen genießen. Die Verantwortung für das Herzogtum ruhte ja auf den Schultern von meinem Vater. Wer ist denn in den Wald geritten, um mit den Elfen zu verhandeln? Mein Papa! Wer hat sich denn um die Staatskasse gekümmert? Meine Mama! Und wenn es galt, die Steuern zu erhöhen, dann hieß es: ›Gris, sprich du zum Volk, du verstehst es, traurige Nachrichten zu überbringen!‹ Aber wenn es darum ging, ein Fest zu organisieren und Weinfässer auf den Platz zu rollen, dann war dein Vater natürlich immer vorneweg! Auf meine Eltern wurde geschimpft, wir, die gierigen Gris, würden das Volk bis auf das letzte Tröpfchen Blut aussaugen! Aber deine Eltern, die haben alle geliebt! Als die Choleraepidemie ausgebrochen ist und man den Webern verbieten musste, ihr Tuch auszuführen, da ist deine Mutter zu meiner gekommen und hat gejammert: ›Meine Liebe, erkläre du es ihnen, ich kann den Ausdruck in den kummervollen Augen dieser armen Handwerker nicht ertragen!‹ Als ob der meiner Mutter nichts ausgemacht hätte! Als das Co-Herzogtum dann aber beschloss, Suppe an hungernde
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