Trix Solier - Odysee im Orient - Lukianenko, S: Trix Solier - Odysee im Orient - xx
wüsste ich auch gern«, antwortete Sua. »Denn ein Mensch, der über eine derart gewaltige magische Kraft gebietet, flößt selbst uns Drachen ein Schaudern ein.«
»Ist das der Grund, warum ihr gegen ihn kämpft?«
»Vor allem sind wir durch unseren Schwur gebunden«, rief ihm Sua in Erinnerung. »Aber ein derart gefährlicher Mann muss in jedem Fall vernichtet werden.«
»Dann verratet mir aber noch«, bat Trix, »an wen genau Euch der Schwur bindet. An den Großwesir?«
»Eigentlich an den Sultan Abnuwas«, antwortete der Drache. »Aber Sultane lassen ihre Befehle häufig über Großwesire erteilen. Und für Abnuwas trifft das sogar durchgängig zu.«
»Eben. Warum?«, bohrte Trix weiter. »Dieses Geheimnis werdet Ihr doch kennen, oder?«
»Richtig.« Sua lächelte – was ihn noch schreckenerregender aussehen ließ. »Dieses Geheimnis kenne ich.«
»Dann lüftet es!«
»Dann wäre es ja kein Geheimnis mehr! Wenn ich es dir erzähle, geht der Welt wieder ein Geheimnis verloren. Nein, Trix, wenn du es unbedingt lüften willst, dann musst du das ohne meine Hilfe tun.«
»Und wenn ich Euch bei Eurem geheimen Namen bitten würde, es mir zu enthüllen?«
Stille breitete sich aus. Die Drachin hob jäh den Kopf und sah Trix an. »Das wäre ein großer Fehler, mein Junge. Sua würde dir zwar antworten, aber es wäre das Ende einer wunderbaren Freundschaft. Im Übrigen habe ich dir meinen geheimen Namen nicht genannt. Vergiss das nie!«
»Es war nur so eine Idee von mir«, sagte Trix kleinlaut. »Tut mir leid. Wahrscheinlich hätte ich das nicht einmal vorschlagen dürfen.«
»Schon gut«, zeigte sich Sua großzügig. »Ich verstehe ja, dass Kinder Geheimnisse lieben. Deshalb will ich dir einen Hinweis geben.«
»Ja?«
»Der Sultan Abnuwas hat etwas, das er nicht haben darf, und ihm fehlt etwas, das er unbedingt haben müsste.«
»Toller Hinweis«, brummte Trix.» Ich glaube, das trifft so ungefähr auf alle Menschen zu.«
»Was willst du?« Suas Lippen kräuselten sich abermals zu einem Lächeln. »Mein Hinweis ist klug, philosophisch und sachdienlich. Denk in aller Ruhe darüber nach.«
»Was soll daran so schwer sein?«, mischte sich Ian ein. »Das begreift doch jedes Kind! In Samarschan existiert die männliche Erbfolge, oder?«
»Ja«, bestätigte Sua.
»Dann ist Abnuwas kein Mann, sondern eine Frau! Deshalb zeigt er sich den Leuten nicht gern. Denn die Tochter musste sich als Sohn ausgeben, weil Abnuwas’ Vater keinen männlichen Erben gezeugt hat. Damit wäre auch klar … was dem Sultan fehlt und was er zu viel hat!«
»Eine bestrickende Version, die eines Ritters würdig ist«, sagte Sua amüsiert. »Nur hat sie zwei Haken. Die drei Frauen des alten Sultans schenkten ihm insgesamt sieben Töchter und sechs Söhne. Drei Söhne sind bereits gestorben, einer an einer Erkältung, einer im Kampf und einer, weil er sich bei Speis und Trank nicht zu mäßigen wusste. Die anderen drei erfreuen sich jedoch bester Gesundheit und einer der zwei Brüder könnte jederzeit anstelle von Abnuwas das Land regieren. Es besteht also keine Notwendigkeit, eine Frau für einen Mann auszugeben. Abgesehen davon verlangt die Tradition, ein Kind unmittelbar nach der Geburt vom Palastbalkon aus der jauchzenden Menge zu zeigen. Nackig.«
Ian kratzte sich daraufhin bloß am Kopf.
»Männer!«, murmelte die Drachin. »Dass ihr immer nur aufs Geschlecht schielt!« Dann schob sie den Kopf wieder unter den Flügel.
»Ich werde über den Hinweis nachdenken«, versprach Trix. »Ein Mann, erwachsen, klug, gesund …« Bei dieser Aufzählung schielte er aus den Augenwinkeln auf den Drachen, doch der dachte gar nicht daran, ihm noch etwas zu verraten. »Gehen wir«, wandte sich Trix schließlich an Ian.
»Willst du mir nicht ein wenig behilflich sein?«, fragte Ilin da. »Ich meine, wenn du mit Papa alles besprochen hast …«
Sua nickte nur und stolzierte davon.
»Gern«, sagte Trix. »Worum geht’s denn?«
»Ich übe gerade den Angriffsflug«, erklärte Ilin. »Aber ganz allein ist das langweilig. Könntest du nicht ein paar Feuerkugeln gegen mich schleudern? Mal sehen, ob ich trotzdem zu dir durchkomme …«
Trix dachte kurz nach. So beliebt, wie die Feuerkugel war, hatte jeder einfache Zauberspruch längst jede Kraft verloren. »In den Händen des Zauberers flammte ein Klumpen orangefarbener Flammen auf« oder »Der Zauberer holte aus – und von seinen Fingen schoss eine brüllende Flamme auf den Feind zu« – das
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