Trix Solier - Odysee im Orient - Lukianenko, S: Trix Solier - Odysee im Orient - xx
was Trix weniger auf das Stück als vielmehr auf Gavars Gebaren schob.
»Dein Auftritt!«, befahl Maichel und drängte ihn auf die Bühne. Hinter Trix sprang Ian raus.
Inzwischen war es völlig dunkel. Auf der Bühne spendeten die Fackeln Licht, alles um sie herum versank jedoch in Finsternis. Einzig das Zelt des Mineralisierten Propheten leuchtete in einem weißen, magischen Glanz. Die Zuschauer ließen sich nur anhand des Widerscheins ihrer Waffen, am Klirren des Stahls und am Geruch nach Knoblauch erahnen. Lediglich die Männer in den ersten Reihen machte Trix deutlicher aus. Ihre braunen, bärtigen Gesichter wandten sich ihm gespannt zu. Die meisten von ihnen hielten Schalen mit gerösteten Maiskörnern und Lederschläuche mit Bier in den Händen.
»Komm schon, Junge, zeig’s dieser Leiche auf zwei Beinen!«, schrie einer der vorn sitzenden Soldaten, ein junger, schneidiger Mann mit flinken, lustigen Augen und einem offenen Gesicht. »Er hat deine kleine Freundin abgeschleppt!«
Die sind ja wie die Kinder!, dachte Trix. Oder liegt das an der magischen Kraft der Kunst?
»Wohin hat der schändliche Vitamant meine Liebste gebracht?«, schrie Trix. Im richtigen Leben hätte er Tiana natürlich nie so genannt! Auf der Bühne kam ihm dieser Ausdruck jedoch erstaunlich leicht über die Lippen.
»Dahin!«, schrien die Nomaden wie aus einem Munde. Die meisten zeigten dabei auch noch nach links. Wer Mitleid mit Gavar hatte, wies jedoch – je nachdem wie stark dieses Gefühl war – nach rechts oder in Richtung Wüste.
»Ich werde sie finden, Ian!«, rief Trix. »Koste es, was es wolle! Ich werde Tiana den toten Händen Gavars entreißen!«
Die Zuschauer spornten ihn mit dem Geklirr ihrer Säbel und Geschrei an. »Los!«, hörte Trix von allen Seiten. »Handle wie ein Mann! In deinem Alter habe ich meinen ersten Feind getötet!«
Der junge Krieger, der es offenbar gut mit Trix meinte, rief: »Halt dich nicht mit Reden auf! Ihm nach!«
Trix spürte, wie sein Vorstellungsvermögen ihn davontrug. Die zusammengezimmerte Bühne, die dürftigen Requisiten, Gavar und Ernek, die zehn Schritt von ihm entfernt standen – all das verschwand. Er befand sich wieder im Haus von Sauerampfer, aus dem die junge Fürstin entführt worden war.
»Der Vitamant ist bereits unterwegs zu den Kristallenen Inseln!«, rief Trix. »Wir brauchen ein Schiff!«
»Ich werde bis zum Ende nicht von deiner Seite weichen!«, bekundete Ian stolz, den das Schauspiel ebenfalls mitriss. »Mag ich auch von einem Schwert durchbohrt werden und fallen – wir werden die Fürstin retten!«
Ergriffen brachen einige Zuschauer in Tränen aus.
Irgendwann vergaß Trix sogar ihr eigentliches Ziel, nämlich den MP mit Magie auszuschalten. Vielleicht lag es daran, dass er Abrakadasab in seinem Zelt einfach nicht zu entdecken vermochte, vielleicht riss ihn aber auch die Begeisterung der Zuschauer mit.
Auf der Bühne überredete er die Schauspieler nochmals, mit ihm auf Verfolgungsjagd zu gehen. Erneut schossen sie auf einem Schiff dem Vitamanten hinterher. Und das entscheidende Gefecht rückte näher und näher …
Als Trix kurz hinter die Kulisse schlüpfte, um etwas Wasser aus einer Flasche zu trinken, die Bambura ihm fürsorglich hinhielt, fiel sein Blick auf Gavar. Der Vitamant stand hinter der anderen Kulisse und bewegte lautlos die Lippen, fast als übe er. Als er Trix’ Blick auffing, nickte er ihm zu.
Kurz vor Beginn der Aufführung hatte Gavar ihren Plan noch einmal geändert und versprochen, die Sache selbst zu erledigen. Oder zumindest den wesentlichen Teil, nämlich den, Abrakadasab mit einem nie gehörten Zauber zu vernichten. Trix sollte ihm besser Deckung geben, falls die Soldaten dem Vitamanten in die Quere kommen wollten.
»Vielleicht sollten wir das Stück einfach zu Ende spielen?«, fragte Maichel. Je näher der entscheidende Moment rückte, desto nervöser agierten die Schauspieler. Sicher, Gold ist nicht zu verachten. Ruhm auch nicht. Aber letztlich weiß jeder, dass einem Toten weder das eine noch das andere nutzt.
»Keine Sorge!«, beruhigte Trix ihn. »Wir schaffen das schon! Gavar ist ein mächtiger Zauberer!«
»So mächtig, dass du ihn besiegt hast!«
»Das heißt nur, dass ich auch ein mächtiger Zauberer bin!«
Maichel schüttelte zweifelnd den Kopf. Sie alle gingen wieder auf die Bühne. Sofort stapfte ihnen Gavar entgegen, der einen Stuhl hinter sich herzog, an den Ernek gefesselt war. »Ha!«, stieß er verächtlich
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