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Troja

Troja

Titel: Troja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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erschien. Sie begrüßten ihn mit Umarmungen, Schulterklopfen, dummen Reden; einige sagten gar nichts, aus Ergriffenheit oder Müdigkeit. Kinder und Halbwüchsige, durch das Gerenne und Gerufe aus dem Schlaf gerissen, tauchten auf, suchten auf den Tischen nach Süßigkeiten und begannen, einander mit Obst zu bewerten. Immer mehr Erwachsene kamen dazu – Tarhunza grölte etwas wie: »O Söhnchen, hat dich das Meer ausgekotzt«; Leukippe küßte ihn auf die Nase; Minyas schlug ihm in den Magen; das Gedränge wuchs mit dem Lärm.
    Dann, jäh, Stille, als Tashmetu und Djoser kamen. Sie kamen aus verschiedenen Richtungen. Sie kamen langsam – Tashmetu, weil sie im Gehen ihren Umhang mit einer Spange verschloß, und Djoser, weil er nur sehr kleine Schritte machte.
    Ninurta löste sich von Kir’girim und Shakkan, mit denen er eben geredet hatte, und ging Tashmetu entgegen. Eine halbe Armlänge voneinander blieben sie stehen.
    »Bin ich willkommen – noch oder wieder?« sagte er kaum hörbar; seine Blicke tasteten nach den dunklen Augen, den Wangenknochen, dem angespannten Mund, schließlich nur nach den Augen.
    »Wieder und immer noch.« Die Augen schimmerten ein wenig, und nachdem sie gesprochen hatte, schienen die Lippen nicht mehr schmal. Die Mundwinkel hoben sich.
    Ninurta nahm ihre Hände; sie waren warm und feucht. »Dann ist alles andere ohne Bedeutung. Liebste.«
    Sie küßte ihn, und er schmeckte sie und roch sie und roch tausend Erinnerungen und tausend Kostbarkeiten und fühlte das Feuer. Dann hörte er Gemurmel, nur halb erleichtert, und dachte daran, daß noch etwas zu tun blieb.
    Tashmetu schob ihn sanft von sich. »Er hat mich gewärmt« , murmelte sie. »Wer hat dich gewärmt?«
    »Die Babilunierin. Es ist lange her.«
    »Hier ist es nicht lange her.«
    »Tote verlangen keine Rechenschaft, wenn sie zurückkehren. Ich will Djoser begrüßen.«
    Tashmetu nickte. Sie blickte zu dem Rome hinüber, der nicht weit von ihnen stand; ihr Lächeln erschien Ninurta seltsamer als alle Geräte, die Tsanghar je erfinden konnte.
    Djosers Gesicht – Trotz und Zorn und Freude und Verlust – hellte sich nicht auf, als Ninurta zu ihm trat. Dann spürte der Assyrer eine leichte Berührung an der Schulter.
    »Hier, nimm, du wirst es brauchen.« Lamashtu stand hinter ihm; sie reichte ihm ihr Messer.
    Er nahm es, wog es, suchte in den herben Zügen nach der alten Vertrautheit, die nicht mehr da war, und sah eine Mischung aus widerwilligem Staunen, Spott und Verachtung über das Gesicht ziehen, als sie begriff.
    Er hielt das Messer hoch; Licht einer nahen Fackel tropfte von der Klinge. »Ich will einen alten Freund begrüßen«, sagte er laut; »wozu ein Messer?« Er ließ es fallen, kümmerte sich nicht darum, ob Lamashtu es aufhob, und umarmte den Rome.
    »Du«, sagte Djoser; er rang nach Luft, als ob er schreien oder weinen wollte. »Du… ah.«
    »Später. Morgen. Oder gar nicht. Laß uns feiern.«
    BRIEF DES KORINNOS (V)
    Mehr als hundert Dutzend Schiffe jeder Art, o Djoser: kleine Segler, kleine Ruderer mit Hilfssegel, große Frachtsegler, große Kriegsruderer mit Sporn, Kähne, aber auch jene Bauten, die wir »Wannen« nannten und die in Wahrheit kaum mehr waren als Flöße mit Geländer. Von diesen kamen einige nie an – nirgendwo, es sei denn, man nähme einen Begriff wie senkrechte Auswanderung hin und hielte den unebenen Acker, auf dem Poseidons Seekühe grasen, für ein tiefes und lohnendes Reiseziel.
    Über diese Schiffe, schwarz und hohl und dickbäuchig, die auf einem weinfarbenen oder wüsten oder einfach wäßrigen Meer nach Osten fuhren, wird viel Unsinn erzählt. O Rome, Freund genauer Zahlen und Listen, ich kann deine Gier in dieser Sache kaum befriedigen, weder die genaue Anzahl noch die Namen der Schiffe nennen. Sie hatten allesamt Namen, edel und minder edel; einige hießen einfach nach Städten oder nach daheimgebliebenen Frauen, andere wurden mit kostbaren Bezeichnungen versehen oder mit solchen, an denen der Segen etwelcher Götter haften möge, wie man hoffte. Soll ich nun einen langen, öden und zweifellos unvollständigen Katalog erstellen, mein Freund? Zwanzig Schiffe aus dem ehrwürdigen Pylos, elf aus dem ehrlosen Korinth, sieben aus dem ehrlichen Ialysos, drei aus dem ehrsamen Megara?
    Oder lieber so: Achilleus ließ auf Anraten der Priester eine grobgeschnitzte Holzfigur am Bug seines Hauptschiffs anbringen, welche die hehre Thetis darstellen sollte, und das Schiff wurde Schoß der Thetis

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