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Troja

Troja

Titel: Troja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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schmerzhaft als gebären. Was … was wirst du tun, wenn du feststellst, daß deine Handelsfürstin sich im Winter an einem anderen gewärmt hat?«
    »Hoffen, daß es vergnüglich war. Sie gehört nicht mir, ich gehöre ihr nicht. Und ich weiß, daß die Winter auf der Insel kalt sein können.«
    Lamashtu sah ihn an, wie man ein rätselhaftes, offenbar zweckloses Bauwerk betrachten mag oder ein sehr fremdes Tier. »Sonst nichts?«
    »Was denn sonst? Sie mußte annehmen, daß ich tot bin. Oder für immer verschleppt.«
    »Wenn sie einen Diener oder Sklaven zum Wärmen genommen hat?«
    »Hoffe ich, daß es warm genug war.«
    Sie schnaubte. »So weich, so großmütig. Andere würden zum Schwert greifen.«
    Er hob die Schultern. »Das tue ich vielleicht, wenn es kein Sklave war, sondern einer meiner Freunde. Nun laß mich schreiben.«
    Sie stand auf und ging zur Türöffnung. »Deine Geschichte, Ninurta. Ich habe mich immer für verschlossen gehalten, unter der Sklavendecke, aber ich glaube, du weißt mehr von mir als ich von dir.«
    »Ich bin unwichtig. Was ich schreiben will, sind die Dinge, die ich erlebt habe. Was erlebt wurde, nicht, wer es erlebt hat. Das könnte jeder sein.«
    »Du bist ein seltsamer Mann.«
    Was Ninurta tatsächlich schrieb, war die Schilderung der Flucht, der Gegenden, der wesentlichen Gebräuche, der möglichen Handelsgüter und Bedürfnisse. Er versuchte sich an möglichst viele Einzelheiten zu erinnern. Ein Grund war die Gepflogenheit der Yalussu-Händler, derlei Dinge aufzuzeichnen und einander zugänglich zu machen; da sie Gewinne und Gefahren teilten, wäre es unsinnig gewesen, Kenntnisse zu verbergen. Der zweite Grund war Djoser, der irgendwann, wahrscheinlich bei fortgeschrittenem Alterswahn, in seine Heimat zurückkehren und eine große Schrift über alle Dinge mitnehmen wollte, die er gehört, gesehen, erlebt und sonstwie erfahren hatte. Der dritte Grund war Langeweile. Der vierte und wichtigste war jenes Untier, das in seiner Erinnerung hauste. Ein Schattendrache, der Ninurtas Träume verheerte und Ninurtas Nachtmähren besprang. Der Assyrer verspürte keinerlei Neigung, sich in sein Inneres zu versenken, um jene Bilder und Töne und Gerüche heraufzubeschwören, die er so tief wie möglich vergraben hatte. Er sagte sich jedoch, daß alle Versuche, den Drachen und das, was er barg oder verbarg, zu zähmen, bisher gescheitert waren. Vielleicht, weil immer zuviel Äußeres stattgefunden hatte. Hier gab es Muße; der Drache mochte sich nun aus den Schatten auf die Binsenmarkrollen locken lassen.
    Nach drei Tagen vergeblichen Drachenköderns wurde er erlöst. Tsanghar betrat den Raum, in dem Ninurta schrieb. Der Kashkäer grinste breit und schlug Ninurta auf die Schultern.
    »Das ist der Lohn der sinnlosen Mühen, würde Zaqarbal sagen. Dafür, daß ich den Winter mit dem Verfertigen unnützer Gegenstände verbracht habe, darf ich als erster den Toten sehen. Der nicht nur lebt, sondern sogar schreibt.«
    »Und damit sofort aufhört. Gut, dich zu sehen. Wie bist du hergekommen? Wer ist noch dabei?«
    Tsanghar ließ sich auf den freien Schemel sinken und stemmte die Ellenbogen auf die Knie. Als er, mehrfach neu zufassend, das Gesicht zu seiner Befriedigung zwischen den Händen untergebracht hatte, sagte er: »Ah, nur dein Steuermann Tuzku.«
    Tuzku, »buntes Glas«, stammte aus einem Dorf nahe Akkad, war als Kind versklavt und nach Byblos verkauft worden, wo er an einen Händler fiel, der ihn mit auf Seereisen nahm. Tuzku hatte zweifellos früher einen anderen Namen gehabt, diesen aber selbst vergessen; sein fast durchscheinendes Gesicht mit fleckiger Bräune hatte ihm den »Tuzku« eingetragen.
    »Wo steckt er? Und… mit was für einem Boot seid ihr gekommen? Zwei Männer?«
    Tsanghar hielt noch immer das Gesicht fest. Vielleicht, dachte Ninurta, will er sich handgreiflich daran hindern, allzu ausdauernd zu grinsen. Oder er hat etwas zu verbergen.
    »Eines der nutzlosen Dinge, mit denen ich mich vergnügt habe, Herr. Ein auch bei strengen Winden und unruhiger See verwendbares Boot, das zwei Leute bedienen können. Notfalls sogar nur einer. Außer Tuzku hatte niemand den Mut und die Weitsicht, mit an Bord zu kommen.«
    »Ist auf der Insel alles wohl?«
    Tsanghar rümpfte die Nase. »So wohl, wie es in Abwesenheit des von allen in zagendem Schmachten entbehrten Assyrers möglich ist. Auch das stammt von Zaqarbal.«
    Ninurta lächelte. »Hab ich mir gedacht; außer ihm redet keiner so.

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