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Troja

Troja

Titel: Troja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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keine sengenden Gewürze verwendet haben, und gackern und mit den Flügeln schlagen; und irgendwann löste sich der Knoten der Binde, aber da war es schon dunkel, bis auf das klebrige Licht der Öllampe vom Schreibtisch. Auf allen vieren, grunzend wie ein Eber, kroch Ninurta dem Licht entgegen, kam schwankend auf die Beine und hielt die Lampe hoch.
    Tashmetu, ohne Augenbinde, inmitten von Fleisch und Tunken und Früchten, alle Farben des Diesseits und einige der Unterwelt, köstliche nimmersatte Farben und durstige Düfte und die Lust zu fliegen und zu strömen und das Lächeln zu schmecken. Er stellte die Lampe ab und schwebte zu Tashmetus Knien.
     
    Einige Tage lang schmerzte es; als habe man sein Gemüt ausgeweidet, sein ka mit scharfen Bürsten gerieben und alles, ohne hinzusehen, wieder zurückgestopft, daß die Einzelteile unter beständigem Schwären ihre angestammten Plätze suchen mußten. Er hatte nicht mit Ninurtas Rückkehr gerechnet, und wenn der Assyrer doch käme, gäbe es keinen Streit. Dies hatte er angenommen, aber als Ninurta kam und die Babilunierin ihm das Messer gab, waren alle Annahmen leere Schoten, die sich mit der zähen Flüssigkeit der Angst füllten. Keine Angst vor einem Kampf; Djoser hatte oft genug seine Haut retten müssen. Angst davor, etwas Kostbares zu zerstören. Erst später begriff er, daß dieses Kostbare nicht ein Leben war oder der Taumel Tashmetu, Flamme, die frißt, ohne aufzuzehren, sondern die Freundschaft.
    Aber da war noch etwas, ein Ungenügen: Niemand, nicht einmal er selbst, und er selbst schon gar nicht, hatte auch nur einen Atemzug lang erwartet, daß es eine Wahl gäbe und Tashmetu zögern könnte. Er kannte den Assyrer zu gut und hatte gewußt, daß Ninurta nicht zur Waffe greifen und auch keine Rechte beanspruchen würde – Rechte, auf denen fast jeder andere bestanden hätte. Fast jeder außer Ninurta, der nicht über Menschen verfügen wollte. Der notfalls auch mit Sklaven handelte, sie aber besser behandelte als andere – Menschen, die schon versklavt waren, die er dann verkaufte oder freiließ, je nachdem. Bis dahin behandelte er sie als wertvolle Ware. Dann sagte sich Djoser, daß Ninurta vielleicht deswegen keine Rechte (welche auch immer) beanspruchte, weil keiner auf den Gedanken käme, sie ihm vorzuenthalten. Weil der bloße Gedanke, Tashmetu könnte sich für Djoser entscheiden statt für Ninurta, grenzenlos lächerlich war.
    Er verschob die Bahn seiner Gedanken, mühevoll, dachte an Geschäfte statt an Gefühle. Gute Geschäfte, die Ninurta gemacht hatte, indem er scheinbar auf ein gutes Geschäft verzichtete. Gelegenheiten, da Schuldner sich dem Assyrer als Schuldsklaven angeboten hatten; bei zweien hatte er auf jegliche Zahlung verzichtet, den übrigen (Bauern nach schlechter Ernte, Handwerkern nach Erdbeben oder anderen Verwüstungen) hatte er Silber geliehen und Rückerstattung in Teilen über Jahre vereinbart. Ninurta käme vermutlich nicht auf den Gedanken, einer Frau etwas vorzuschreiben. Oder einem Mann.
    Je länger er grübelte, desto besser begriff er, und desto stärker wurde das Gefühl von Ungenügen, bis er sich (am dritten Tag nach der Rückkehr des Assyrers, als auch sein ka nicht mehr so schmerzte) halb im Scherz sagte, daß eben in allen Kriegen der Männer, der Liebe, des Handels einige zu Hauptleuten geboren waren und andere einfach dasein mußten, damit die Hauptleute jemanden hatten, den sie führen konnten.
    Nach dem kurzen Gespräch mit Ninurta, am zweiten Tag, hatte Djoser begonnen, bei den Beratungen der Eigner mehr auf die Menschen als auf ihre Worte zu achten. Ninurta war zu ihm gekommen, hatte von der Flucht und den Bergen berichtet und am Schluß gesagt: »Und was die Dinge hier angeht, mein Freund, will ich dir danken. Tashmetu mußte mich für tot halten, du hast ihr geholfen und sie gewärmt. Ich hoffe nur, du leidest nicht.« Djoser hatte verneint und gelitten; abends, im Rat, beobachtete er die anderen, die verwandelt gewesen waren. Als habe man einen Schleier gelüftet, der bisher einige unangenehme Eigenschaften verdeckte. Mit Ninurta war der Schleier zurückgekehrt. Tarhunza, ein rülpsendes und röhrendes Ungetüm von Frau, sprach plötzlich in erträglicher Lautstärke und aß, ohne den ganzen Tisch zu besprühen. Leukippe, ein wenig trübsinnig ob der Bedrohung ihrer Heimatstadt, hörte auf, sich von jeder Bemerkung angegriffen zu fühlen und giftige Reden abzusondern. Dinge, die im Winter immer wieder zu

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