Troja
reibungslose Geschäfte nötig war. Dazu gehörte auch die Frage, wie sich die Neuen und die Alten vertrugen.
Adapa war bestens aufgehoben, fand er. Tsanghar wollte reisen und Dinge sehen. Lamashtu… Die Gefährtin der Flucht und der Reise durch die Berge hatte sich den beiden anderen Herrinnen der Kräuter angeschlossen, aber es gab gewisse Reibungen. Kir’girim hatte ihn beiseite genommen, als er die Frauen in ihrer Werkstatt besuchte, halb Höhle, halb Hütte, hundert Schritte talauf von den übrigen Wohnungen und Gebäuden.
»Sie weiß vieles, was wir nicht wissen, und muß vieles lernen, was wir ihr zeigen können. Aber…« Die schlanke, fast knabenhafte Frau zögerte; Ninurta musterte die Augen, die zwischen tiefblau und schwarz unentschiedenen uqnu -Steinen glichen, und die Haut von der Farbe frischer Ölfrüchte. Er erinnerte sich an Winternächte mit Kir’girim und Kal- Upshashu, riß sich zusammen und verdrängte die Bilder.
»Was ist mit ihr?«
Kir’girim kaute auf der Unterlippe. »Nichts Genaues. Oder zuviel Wirres. Manchmal ist sie mürrisch und verschlossen; das haben wir alle, hin und wieder, nicht wahr? Sie nennt es eine düstere Decke aus langer Sklavenzeit, die sich auf ihr Gemüt legt. Aber da ist mehr.«
Ninurta wartete; als Kir’girim nicht weitersprach, sagte er:
»Ich weiß. Sie verachtet mich, weil sie mich für zu weich hält – ist es das?«
»Das ist es nicht.« Sie lächelte flüchtig. »Ich weiß ja, daß du an den wichtigen Stellen ausreichend hart sein kannst, und wenn sie nicht begreifen will, daß es viele Arten von Geschäften und vom Umgang mit Menschen gibt… Nun ja. Nein, es ist etwas anderes. Ich bin nicht sicher, ob sie die Insel auf Dauer erträgt. Oder die Insel dauerhaft sie. Sprich mit Kal; vielleicht kann sie es besser ausdrücken.«
Kir’girim bat Lamashtu, ihr zu helfen: Wasser für den zahmen, kleinwüchsigen, fast weißen Löwen zu holen, und von der Verwalterin des Fleischvorrats, Nikkal, ein halbes Schaf oder derlei zu beschaffen. Lamashtu gönnte Ninurta einen spöttischen Blick, ehe sie Kir’girim folgte.
Kal-Upshashu, Tochter eines Heilers und einer Zauberin und von den Eltern »Alle Hexerei« genannt, stand an einem hohen Arbeitstisch nahe der seitlichen Höhlenwand; im Licht einer Öllampe (die nächste Fensteröffnung im schuppenartigen Vorbau war sechs oder sieben Schritte entfernt) füllte sie gehackte Kräuter und mehrfarbigen Steinstaub in feine Waagschalen. Der Höhlenboden war mit Tierfellen belegt, in die Kal-Upshashu fast bis zu den Knöcheln einsank. Sie trug einen knielangen, dicken Umhang aus braungefärbter Wolle und sang leise vor sich hin, während ihre flinken Finger selbständig zu arbeiten schienen.
»Ein Wort, Herrin des Zaubers.«
»Zwei, mindestens, was deine Wahl von Beischläferinnen angeht.« Sie wandte ihm das Gesicht zu und lächelte.
Ninurta lehnte sich an die Schuppenwand; mit dem Finger fuhr er über eine rauhe Stelle und rupfte einen Splitter aus dem Balken, der zwei Schichten Lehmziegel trennte. »Das war nicht das, worüber ich mit dir reden wollte.«
Sie rieb die Finger am Wollgewand und drehte sich nun ganz zu ihm um. Der Überwurf war fast eng; die schweren Brüste und die fleischigen Hüften schienen durch den Stoff dringen zu wollen.
»Ich rede nicht von deiner schönen Ugariterin. Sie ist angenehm und klug und innen aus dauerhaftem Erz. Eisen, vielleicht sogar Stahl, obwohl ich nicht weiß, welche Gänse sie verdaut haben, nachdem wer auch immer ihr Gemüt zu Spänen gefeilt hat. Nein, Freund vergangener Winterlager, ich rede von der anderen, die mit dir durch die Berge gereist ist.«
Ninurtas Augen tasteten sich durch das kluge, rundliche Gesicht der Babilunierin. »Was siehst du? Deine Augen blicken tiefer, wie wir alle wissen. Wie ich spätestens seit jener Nacht weiß, da du mich für inwendig hohl und von albernem Gemüt erklärt hast.«
Sie lachte und streckte ihm die Zunge heraus. »Wie wahr, ach wie furchtbar wahr, alberner Fürst der Mehrung. Lamashtu ist außen aus herben Metallen, eine Mischung verschiedener Erze, die sich vielleicht nicht miteinander vertragen werden. Innen ist sie brüchig, spröder Stoff, der eines Tages brechen wird.«
Ninurta hob die Brauen. »Brechen? Wie? Wann? Unter Belastung, oder durch Hitze oder Kälte?«
»Ich weiß es nicht. Vielleicht unter Wärme, vielleicht bricht sie… zerbricht sie an etwas, was dich oder mich heilen würde, wenn wir der Heilung
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